Sneak-Review #157 – Der Fall Collini

Sneak-Review #157 – Der Fall Collini

Einen Tag vor der Premiere wurde am Dienstag, den 16. April, Marco Kreuzpaintners Film „Der Fall Collini“ in Marburg präsentiert. Es handelt sich um die Verfilmung des gleichnamigen Bestsellers aus dem Jahr 2011 – ein Politdrama, das nicht näher an der Realität sein könnte.

Der aufstrebende Rechtsanwalt Caspar Leinen (Elyas M´Barek) nimmt als Pflichtverteidiger einen Mordfall an, dessen Tragweite sich erst im Prozess entfaltet. Ihm gegenüber auf der Seite der Kläger sitzt sein ehemaliger Professor Richard Mattinger (Heiner Lauterbach). Der Prozess scheint aussichtslos, doch durch das Geständnis des Angeklagten (Franco Nero) wird eine Lawine an Akten und Geheimnissen losgelöst.

2001 – Fabrizio Collini erschießt den Industriellen Jean-Baptiste Meyer und stellt sich der Polizei. Collinis Pflichtanwalt Leinen nimmt seinen ersten Fall an ohne zu wissen, dass das Opfer, Meyer, sein ehemaliger Ziehvater und Mentor war. Hin und her gerissen zwischen recht und rechtens, Leinens Vergangenheit und seiner Zukunft als Anwalt, entspinnt sich ein Politthriller über deutsche Geschichte, die Abgründe von Familie und Rassismus bzw. Klassismus.

Die Lösung des Falles scheint in Akten aus der NS-Zeit zu liegen. Doch die eigentliche Frage, die aufgeworfen wird, reicht weit in die Nachkriegszeit hinein und konfrontiert die Charaktere und Zuschauer:innen mit ihrer eigenen Gegenwart.

Es ist nicht alles Gold, was glänzt.

In Tradition zur Buchvorlage kommt Kreuzpaintners Film schick daher. Eine elegante Komposition, Farben, die an internationale Vorlagen erinnern, und klassische aber richtig eingesetzte Schauspielschulen-Dramatik lassen den Kinogast gebannt das Hochglanz-Drama bis zum Ende verfolgen. Jedoch übertüncht die Optik nicht den schwachen Score, den skurrilen Einsatz von Weitwinkel-Einstellungen und die an Fernsehproduktionen erinnernde Schnitte. Elyas M`Barek und Heiner Lauterbach spielen beide solide ihre Charaktere und funktionieren gemeinsam fantastisch auf der Leinwand. Die Tiefe des Buches von Ferdinand von Schirach erreicht die Adaption aber nicht.

Auch wenn es bei von Schirach nicht um die Aufarbeitung der NS-Vergangenheit in der eigenen Familie ging, ist dies doch für den:die Leser:in ein Hauptmotiv. Dieses Motiv erzeugt eine Fragilität und Verletzbarkeit, die im starken Kontrast zu dem juristischen Kontext stand, deren Gratwanderung und Emotionalität der Film nicht erreicht.
Auch ohne die Vorlage zu kennen, lässt sich erahnen, dass der Charakter der Sekretärin Nina (Pia Stutzenstein) nachträglich hineingeschrieben wurde, um einen Love-Interest zu erschaffen – den Bechdel-Test (https://bechdeltest.com/) gewinnt „Der Fall Collini“ damit nicht.

Ein Verbrechen verschweigt der Film: die Nachahmung John Grishams.

„Der Fall Collini“ wiederholt die Maschen des deutschen Kinos und geht keine neuen Wege. Er orientiert sich zu sehr an Vorlagen, die unerreicht sind, wie „The International“ (2009), „A Time to Kill“ (1996), von eben Grisham (1989), und „To Kill a Mockingbird“ (1962) und setzt Produktion über Narration, zum Leidwesen der Spannung. Der Film ist sich seiner eigenen Schwächen, wie Rückblenden und fehlender Charakterenentwicklung bewusst, verschleiert dies aber mehr schlecht als recht hinter Bombast und moralischen Fragen. Für Fans der Schauspieler M´Barek und Lauterbach sicher sehenswert, viel mehr Menschen wird der Film nicht ansprechen können.


„Der Fall Collini“ startet am 18. April in den deutschen Kinos.

FOTO: Constantin Film

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