Sneak-Review #183: Bombshell – Das Ende des Schweigens

Sneak-Review #183: Bombshell – Das Ende des Schweigens

Zwei Tage bevor „Bombshell – Das Ende des Schweigens“ in den deutschen Kinos anläuft, bekommen Marburgs Sneak-Gänger:innen ihn schon am späten Dienstagabend zu sehen. Ob ihr eure Tickets für den von Jay Roach inszenierten Film über den Roger Ailes Skandal bei Fox News schon reservieren sollt, verrät euch PHILIPP.

2016 – noch bevor die #MeToo Bewegung an Momentum gewann, gelang es einigen Frauen bei Fox News, die Wahrheit über die sexuelle Belästigung durch den Senderchef Roger Ailes (John Lithgow) ans Licht zu bringen. Der Film erzählt die wahren Begebenheiten beim konservativen Sender aus Sicht der betroffenen Frauen, allen voran Gretchen Carlson (Nicole Kidman) und Megyn Kelly (Charlize Theron). Erstere brachte im Sommer 2016 Fox News ins Wanken, als sie nach ihrer Entlassung als Moderatorin Roger Ailes aufgrund von sexueller Belästigung anklagte. Megyn Kelly, die ebenfalls Opfer der Avancen Ailes‘ war, stützte nach anfänglichem Schweigen die Aussagen Carlsons und brachte somit letztendlich den mächtigen Roger Ailes zum Fall, der daraufhin Fox News verlassen musste. Dem realen Ensemble von Carlson und Kelly fügt der Regisseur Jay Roach die fiktive Kompositfigur Kayla Pospisil (Margot Robbie) hinzu: eine aufstrebende junge Frau mit konservativen, evangelikalen Wurzeln. Sie steht für und ist konstruiert aus den vielen Aussagen der Frauen bei Fox News, die von Roger Ailes belästigt wurden.

Zwischen Dokumentation und Drama

Der realen Geschichte von Megyn Kelly und Gretchen Carlson versucht der Film detailreich gerecht zu werden. Dazu gehört nicht nur die beeindruckende Arbeit des Hair und Make-up Teams, das die beiden Schauspielerinnen in ihre Vorbilder verwandelt und dafür zu Recht am Wochenende den Oscar bekam. Auch die Filmsprache erinnert gerade zu Anfang an einen Dokumentarfilm: Kelly führt den:die Zuschauer:in mit direktem Blick in die Kamera in die Welt von FoxNews ein und in den Studios herum. So seien die Tische absichtlich aus Glas, die Kamera extra im Weitwinkel und die Röcke äußerst kurz um den:die FoxNews-Zuschauer:in durch die Beine der Moderatorinnen an der Stange und interessiert zu halten. Immer wenn der Film einen neuen Charakter einführt, hilft ein kleiner Infotext mit Namen und Funktion, diesen in die Geschichte einzuordnen. Zu Recht kann man sich hier fragen, ob – wenn dies alles so dokumentarisch gehalten wird – überhaupt eine Identifikationsebene bzw. Möglichkeit des Einfühlens für den:die Zuschauer:in möglich ist. Und zum Glück gelingt dies Jay Roach durch die Figur der fiktiven Kayla Pospisil. Durch ihre Geschichte wird die gestaffelte sexuelle Belästigung durch Roger Ailes gezeigt. In ihr sehen wir die direkten Auswirkungen dieses Schocks auf das Leben einer jungen Frau. Welche Schuldfragen stellt sich ein Opfer selber und wie geht sie damit um? Bei Kaylas Geschichte fragen sich auch junge Zuschauerinnen wie ich, die ihre Karriere noch vor sich haben: „Mist, was würde ich tun?“
Somit geht der Film nahe, ohne gleichzeitig den Blick für die detailreiche Aufarbeitung des Stoffes zu verlieren. Möglich ist dies aber leider nur durch abrupte und verwirrende Wechsel in der Filmsprache, die der Mix von Dokumentarfilm und Drama konsequenterweise nach sich zieht. Zwei Genres, die in ihren Parametern extrem ausgearbeitet werden, lassen sich vielleicht doch nicht so einfach vereinen.

Nur Sexismus bei FoxNews?

Obwohl gerade Kayla Pospisil die Identifikationsfigur für den:die Zuschauer:in darstellen soll, werden auch Carlson und Kelly zu ansprechenden und nachvollziehbaren Charakteren hochstilisiert. Schließlich sieht man sie in der Rolle der Opfer und am Ende des Films erleichtert als Sieger, wenn Roger Ailes seinen Posten räumen muss. Doch dass hier einige wichtige Fakten ausgelassen werden, vernachlässigt der Film komplett. Fox News als Sender und auch Megyn Kelly als Person bekleckerten sich in der Vergangenheit nicht oft mit Ruhm, wenn es um Themen wie Polizeigewalt und Rassismus ging. Kurz wird dies zwar auch in „Bombshell“ angeschnitten, aber geht es hier „nur“ um das Idealbild des weißen Santa und nicht um weitaus rassistischere Kommentare, die Kelly schon von sich gegeben hat. Dass dies beim konservativen Sender FoxNews, der vor allem von Trump selber und seinen Unterstützern geschaut wird, nicht überraschend ist, kann den Charakteren im Film aber leider keine Absolution geben. Von sich selber sagen die Figuren oft genug, dass sie keine Feministinnen und somit nicht sehr liberal sind, aber reicht diese Warnung am Anfang des Films nicht, da sie im Verlauf trotzdem idealisiert werden. Somit muss sich der:die Zuschauer:in unweigerlich fragen: „Kann diese Figur als Vorbild für mich dienen?“ Denn genau diese Funktion bieten die realen Hauptcharaktere am Ende des Film aus dem Off dem:der Zuschauer:in an.

Nein, das können die Figuren nicht. Jedenfalls nicht in der realen Version, die der Film unbeachtet lässt. Allerdings kann der Film selbst als Vorbild, Warnung und Denkanstoß dienen: „Was würde ich machen?“ „Wie soll ich mich verhalten?“ „Wird mir jemand glauben?“ Der Film macht Mut: Ja, erhebe deine Stimme und wehre dich. Trotzdem bleibt am Ende des Films – nicht zuletzt mit der Wahl Trumps zum Präsidenten – ein fader Nachgeschmack: Denn es liegt noch viel Arbeit vor uns.

„Bombshell – Das Ende des Schweigens“ erscheint am 13. Februar 2020 in den deutschen Kinos.

FOTO: Lionsgate © Hilary Bonwyn Gayle

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