Sneak-Review #215: Jagdsaison
Mal wieder hat der deutsche Film eine Komödie produziert, über deren Qualität sich streiten lässt: Aron Lehmanns „Jagdsaison“ beruht auf dem dänischen Original aus dem Jahr 2019 und knüpft damit an andere deutsche Adaptionen an, die auf ausländischen Film-Hits basieren. Im Folgenden erfahrt ihr, weshalb der Film ein Paradebeispiel für gescheiterte Komödien ist.
Wer jagt eigentlich? Und wieso?
Die Protagonistin Eva (Rosalie Thomass), Mutter einer neunjährigen Tochter, hat es nicht gerade leicht im Leben: Die tollpatschige Chaotin hat es immer noch nicht verkraftet, dass ihr Mann Steffen (Tobias Licht) sie für die wesentlich jüngere, erfolgreichere Bella (Almila Bagriacik) verlassen hat, die zudem – nach Evas Ansicht – auch noch versucht, ihr ihre Mutterrolle zu entreißen. Als sie dann noch darauf aufmerksam wird, dass ihre beste Freundin Marlene (Marie Burchard) sich scheinbar mit Bella angefreundet hat, ist das Unglück geradezu perfekt. Eva kommt es so vor, als stünde sie nun ganz alleine da. Sie fühlt sich von ihrem Umfeld missverstanden und ihr Groll auf Bella wird immer größer. Umso absurder erscheint es ihr, dass Marlene den Vorschlag macht, endlich mit der Vergangenheit abzuschließen und Bella eine Chance zu geben. Darüber hinaus hat Marlene auch noch ein ganz eigenes Anliegen: Auch in ihrer Ehe mit Andreas (Michael Klammer) läuft nicht mehr alles so rund, auch aufgrund des reizvollen Peter (August Wittgenstein), den Marlene auf einer Konferenz kennengelernt hat. Um sich wieder besser auf ihre Ehe konzentrieren zu können, schlägt sie vor, mit jenem Peter an der Ostsee ein einziges Mal zu schlafen, an der er sich wegen eines Jagdwochenendes aufhält. Sowohl ihre BFF Eva als auch die neue Freundin Bella sollen sie dafür als emotionaler Support begleiten. Die drei Frauen begeben sich also auf einen Wellness-Trip inklusive Jagdausflug an die Ostsee. Die Voraussetzung dafür ist natürlich, dass Eva und Bella endlich ihren Konflikt begraben und Marlene bei ihrem Vorhaben gemeinsam unterstützen. Ob das gut geht, bleibt fraglich…
Filmmittwoch im Ersten
Auch wenn viele von uns das nicht zugeben wollen, wir alle haben doch schon mindestens einmal Ausschnitte aus Komödien in der Machart von „Jagdsaison“ gesehen. Regelmäßig werden diese, in der Regel vom öffentlichen Rundfunk geförderten Produktionen, mittwochabends in der ARD oder im ZDF ausgestrahlt und vermitteln uns ein Bild Deutschlands, das karikativer nicht sein könnte. Die Figuren werden von Aron Lehmann in ihren Charakterzügen sehr überspitzt dargestellt, was zwar durchaus ein gängiges Stilmittel in Komödien sein kann, aber viel geschickter inszeniert sein muss. Wegen den im Film „plump“ transportierten Klischees verliert der Film demnach einiges an Unterhaltsamkeit. Die Protagonistin Eva ist ein unverbesserlicher Elefant im Porzellanladen, dem auch nur jedes kleine Unglück geschieht: Vom Handy-in-die-Suppe-Fallen bis zum Autounfall – Alles für die witzigen Showeinlagen zwischendurch. Bella soll irgendwie „modern“ wirken, ihre erfolgreiche Influencer-Karriere und der übertriebene Gebrauch von Anglizismen versichern dies.
Jetzt mal ganz im Ernst. Ich weiß, dass man nicht allzu viel von deutschen Komödien erwarten sollte, aber sowas geht einfach nicht. Das Ausmaß an Fremdscham kannte wegen der Überzogenheit von Klischees keine Grenzen. Selbst die mutmaßliche Zielgruppe der deutschen Mittvierziger bis -fünfziger kann sich durch den Film in ihrem Weltbild zwar bestätigt fühlen, muss doch aber anerkennen, dass hinsichtlich der Ästhetik und Handlung von „Jagdsaison“ einiges zu kritisieren ist.
Über Kitsch und Kunst
Die Kritik am deutschen Film nimmt durch „Jagdsaison“ sicherlich nicht ab, eher das Gegenteil dürfte der Fall sein. Hier fehlt uns leider der Platz und die Zeit, um über die damit verbundenen strukturellen und personellen Probleme in der deutschen Filmindustrie zu sprechen. Lehmann bietet im Film zwar einigen gesellschaftsrelevanten Themen Platz, wie zum Beispiel dem Phänomen des regretting motherhood, das durch Marlenes Zweifel an einem zweiten Kind aufgegriffen wird, und zeigt damit, dass feministische Diskurse auch in der Popkultur Anklang finden. Leider entsteht damit zugleich die fälschliche Annahme, dass man nur an kleinen Stellschrauben des Systems drehen muss, damit emanzipatorische Potentiale sich vollständig entfalten können: Als Marlene sich endlich überwindet, ihrem Mann Andreas ihre Zweifel am Nachwuchs zu beichten, scheint das Problem auch schon gelöst zu sein. Das Setting in der wohlhabenden Vorstadtszenerie oder dem luxuriösen Wellness-Hotel tut sein Übriges, um wirklich unangenehme Themen zu verschweigen – ist zwar teilweise schön anzusehen, aber mehr auch nicht. Auch der Konflikt zwischen Eva und Bella wird am Ende lediglich durch die Botschaft, dass man sich einfach liebhaben solle, beiseite gelegt, obwohl die unterschiedlichen Lebensentwürfe der beiden eigentlich das Potential für einen kreativeren Umgang geben. Aus künstlerischer Perspektive ist das fatal.
Wer wirklich anspruchsvolle Komödien möchte, der kann sich mit „Jagdsaison“ nicht zufrieden geben. Der Film verkommt leider zum reinen Kitschprodukt und reiht sich in eine nicht enden-wollende Abfolge öffentlich-rechtlich produzierter Trivialkomödien ein.
„Jagdsaison“ von Aron Lehmann erscheint voraussichtlich am 18. August im Kino.
Foto: © Tobis Film