Warum wir jetzt unbedingt handlungsfähig bleiben müssen: Eine Stellungnahme der Initiative für Studentische Hilfskräfte
Für PHILIPP kommentiert die Initiative für Studentische Hilfskräfte Marburg exklusiv, worüber hier bereits in vorangegangenen Artikeln berichtet wurde: Am 23.03. hat der Hessische Landtag eine Gesetzesänderung zum Hessischen Personalvertretungsgesetz (HPVG) verabschiedet und es gibt darin für Studentische Hilfskräfte eine wesentliche Erneuerung – den Hilfskräfterat an Hochschulen.
Ein Schritt in die richtige Richtung!
Je nach Anzahl der studentischen Beschäftigten an der Hochschule (unter/über 1.000) besteht der Hilfskräfterat aus drei bzw. sieben von den Studentischen Hilfskräften (SHK) gewählten Vertreter:innen, die dann ein bzw. zwei Mitglieder in den Personalrat entsenden dürfen. Damit haben wir endlich eine Instanz, in der Mitbestimmung über unser Arbeitsverhältnis möglich ist! Bislang war Hessen zusammen mit dem Saarland und Schleswig-Holstein eines der wenigen Bundesländer, in welchen studentische Beschäftigte vollständig von einer Vertretung im Personalrat ausgeschlossen wurden. Die Änderung im HPVG zeugt also davon, dass das Problem erkannt wurde und es nun auf dem Weg zu mehr Mitspracherechten und besseren Arbeitsbedingungen in die richtige Richtung geht. Das ist ein Erfolg, der vor allem dem Engagement der bundesweiten Tarifinitiative studentischer Beschäftigter (TVStud) und den Gewerkschaften anzurechnen ist.
Studentische Hilfskräfte in Marburg/Hessen – formal objektiviert
Auch Dr. Simone Claar, die stellvertretende Vorsitzende der GEW Hessen, äußerte sich in einer Stellungnahme der Gewerkschaft positiv zur Novellierung des HPVG, kritisierte aber mit Blick auf die neuen Mitbestimmungsrechte der Studentischen Hilfskräfte, dass diese „immer noch nicht als ‚richtige‘ Beschäftigte anerkannt [werden], denen eine bezahlte Freistellung zusteht.“
An dieser Stelle ist anzumerken, dass an der Hochschule beschäftigte Student:innen bisher nach §3 des HPVG nicht als Teil des Hochschulpersonals eingestuft, sondern als „Sachmittel“ geführt werden. Das ist nicht nur eine formale Objektifizierung, die uns empört oder beleidigt stimmen kann, sondern auch eine folgenschwere Regelung: Als Teil des Personals hätten wir normalerweise einen Rechtsanspruch darauf, Personalratsmitglieder zu wählen sowie uns wählen zu lassen und für die Tätigkeit in diesem Amt von unseren eigentlichen Aufgaben freigestellt zu werden – das ist die Freistellung von der GEW Hessen spricht –, uns für die Personalratstätigkeit während der Arbeitszeit weiterzubilden, unsere Kolleg:innen am Arbeitsplatz aufzusuchen oder eigene Sprechstunden in Räumlichkeiten anzubieten, die von der Uni zur Verfügung gestellt werden. Wir dürften in diesem Rahmen unser Arbeitsverhältnis betreffende Informationen von der Uni einfordern, hätten ein Mitspracherecht bei Einstellungen und Entlassungen sowie bei grundlegenden Änderungen von Arbeitsverfahren und -abläufen im universitären Betrieb. Zudem wäre für Studentische Beschäftigte als Mitglieder des Personalrats ein umfassender Kündigungsschutz vorgesehen.
Gegenständen stehen nicht dieselben Rechte zu wie Personen: SHK als „Sachmittel“
Wäre. Denn wir sind ja nicht Teil des Personals. Und Gegenständen stehen nicht dieselben Rechte zu wie Personen. Der neue Hilfskräfterat ist eine Reform, die mit dieser verqueren Logik nicht vollständig bricht, sondern an ihr vorbei um die Ecke denkt und so über Umwege eine Angliederung von Studentischen Hilfskräften an den Personalrat ermöglicht. Die Rechte, die uns eigentlich zustünden, haben wir damit noch nicht vollständig erreicht, sofern wir nicht eine repräsentative Vertretung, Räumlichkeiten, Freistellung und Arbeitsbefreiung sowie Kündigungsschutz zugesichert bekommen – und danach sieht es momentan noch nicht aus.
Das aktuelle Modell zum Hilfskräfterat in Hessen ist etwa vergleichbar mit der bereits etablierten Praxis von Assistenzräten in Thüringen. Erfahrungsberichten zufolge sind diese jedoch nicht gleichzusetzen mit einem eigenen Personalrat von studentischen Beschäftigten, so wie er in Berlin bereits besteht. Eine Verbesserung gegenüber der Regelung in Thüringen gibt es in Hessen dadurch, dass die Mitgliedschaft im Rat nicht auslaufen soll, falls das Beschäftigungsverhältnis in dem gewählten Zeitraum endet – ein Kündigungsschutz, so wie er Personalrät:innen zustünde (bzw. eine entsprechende Garantie auf Vertragsverlängerungen, um zu gewährleisten, dass die grundsätzlich auf wenige Monate befristeten Arbeitsstellen der SHK im Hilfskräfterat nicht durch ihr Engagement für die Rechte der Belegschaft gefährdet werden), ist allerdings nicht angekündigt.
Langwierig und unkonkret – oder: Warum es die Hilfskraftinitiative Marburg braucht!
Insgesamt gibt es in Bezug auf die Ausgestaltung der Wahl- und Gremienordnung für den Hilfskräfterat sehr viel Spielraum, da diese individuell von den Hochschulen festgelegt werden. Das kann positive ebenso wie negative Auswirkungen für uns haben. GEW und TVStud arbeiten derzeit an einem Vorschlag für die Wahl- und Gremienordnung an Hochschulen, bislang ist aber unklar, wie genau diese an den einzelnen Unis letztendlich aussehen werden und wie viel Zeit die Implementierung des Gesetzes in Anspruch nehmen wird. Bis der Hilfskräfterat also an unserer Universität tatsächlich etabliert und handlungsfähig ist, könnte es entsprechend noch lange dauern. Bisher ist noch nicht einmal erfasst, wie viele studentische Beschäftigte an der Philipps-Universität angestellt sind.
Bis dahin brauchen wir also weiterhin unbedingt eine eigene Instanz, in der unsere Interessen vertreten sind. Und das ist, wie wir bereits auf der Vollversammlung der Studentischen Hilfskräfte am 7. Februar festgestellt haben, die Reaktivierung des AStA-Referats Hilfskraftinitiative Marburg, für deren Kandidat:innen wir einen Vorschlag eingereicht haben, über den am 19. April in der nächsten Sitzung des Student:innenparlaments abgestimmt wird. Das AStA-Referat ist für uns auch deshalb eine so wichtige Struktur, weil wir darin selbstorganisiert arbeiten können und Räumlichkeiten an der Uni sowie einen eigenen Haushalt zur Verfügung gestellt bekommen, mit dem wir die Projekte, die wir uns bei der Vollversammlung vorgenommen haben (wie etwa einen Workshop zu Arbeitsrecht), umsetzten können. Die Einrichtung eines Hilfskräfterats setzt außerdem Strukturen der Organisation und Interessenvertretung voraus, deren Aufbau im Referat Hilfskraftinitiative als unabhängiger Instanz begleitet werden könnte – zum Beispiel über Gespräche mit dem Personalrat und dem Senat bezüglich der Gestaltung von Wahl- und Gremienordnungen. Auch an anderen hessischen Hochschulen, unter anderem in Frankfurt, ist die Fortführung beider Strukturen vorgesehen.
Klar ist jedenfalls, dass mit dem neuen Hilfskräfterat ein entscheidender erster Schritt getan ist, es aber bis zur vollständigen Realisation von Mitbestimmungsrechten für studentische Beschäftigte noch ein weiter Weg ist. Noch gibt es keine ordentliche Vertretung im Personalrat. Die Studie Jung, akademisch, prekär hat außerdem deutlich gezeigt, dass neben Mitbestimmung auch noch andere Themen ganz zentral sind, um die Situation von Studentischen Hilfskräften nachhaltig zu verbessern – so fehlt etwa in großen Teilen eine Aufklärung und das Bewusstsein für die eigenen Arbeitnehmer:innenrechte. Wenn wir diesen Missständen entgegenwirken wollen, müssen wir jetzt unbedingt handlungsfähig bleiben. Die Hilfskraftinitiative war in Marburg seit der Corona-Pandemie über einen längeren Zeitraum nicht mehr aktiv und an dieser Stelle so zu tun, als sei mit der Novellierung des HPVG alles erreicht, wäre eine fatale Entwicklung und würde unser gerade erst neugewonnenes kollektives politisches und aktivistisches Bewusstseins unter Verweis auf halbherzige Reformen im Keim ersticken.
Q & A („too long, didn’t read“)
HPVG – ist das eine Geschlechtskrankheit?
HPVG ist die Abkürzung für „Hessisches Personalvertretungsgesetz“ und das wurde kürzlich novelliert – u.a. mit einer Neuerung für eine Interessenvertretung von SHK über die Einführung von Hilfskräfteräten in Hessen.
Wie sieht der neue Hilfskräfterat aus?
Je nach Anzahl der studentischen Beschäftigten an der Hochschule (unter/über 1.000) besteht der Rat aus drei bzw. sieben von allen SHKs gewählten Vertreter:innen, die dann ein bzw. zwei Mitglieder in den Personalrat entsenden dürfen.
Voll gut, oder?
Ja, auf jeden Fall!
Hat der Hilfskräfterat dieselben Befugnisse wie ein normaler Personalrat?
Nein. Aus dem Hilfskräfterat dürfen 1-2 Mitglieder an den Personalratssitzungen teilnehmen mit Rede-, Antrags- und Stimmrecht in Angelegenheiten, die die Studentischen Hilfskräfte betreffen. Es fehlen allerdings Regelungen zu Freistellung, Informationsrecht und Kündigungsschutz. Erst mit diesen Befugnissen wäre der Rat ein Personalrat mit Handlungsmacht.
Wie lange sollen die Amtszeiten der Hilfskräfteratsmitglieder sein?
Das wird individuell von den Hochschulen in den entsprechenden Wahlordnungen festgelegt. In Hessen soll die Mitgliedschaft im Rat nicht auslaufen, falls das Beschäftigungsverhältnis in dem gewählten Zeitraum endet, ein Kündigungsschutz ist allerdings nicht angekündigt.
Wie lange dauert es, bis der Hilfskräfterat dann tatsächlich an der Uni etabliert und handlungsfähig ist?
Das hängt davon ab, was die Wahlordnung der jeweiligen Hochschule für den Ablauf der Wahl vorsehen und wann diese Wahlordnung verabschiedet wird. Noch ist zum Beispiel nicht einmal erfasst, wie viele SHKs an der Philipps-Universität angestellt sind. Vorerst bleibt also unklar, wie viel Zeit die tatsächliche Konstituierung des Hilfskräfterats an der Philipps-Universität Marburg beanspruchen wird.
Ist eine Reaktivierung des Asta-Referats Hilfskraftinitiative Marburg damit überflüssig?
Auf keinen Fall! Wenn wir unsere Interessen effektiv vertreten und trotzdem unabhängig und selbstorganisiert arbeiten wollen und die Projekte, die wir uns bei der Vollversammlung vorgenommen haben, tatsächlich umsetzen wollen, brauchen wir beide Instanzen.
Was passiert jetzt mit der Initiative für Studentische Hilfskräfte?
Die bleibt natürlich weiterhin aktiv! Wir wollen einen Tarifvertrag und bis dahin ist es noch ein weiter Weg und es gibt viel zu tun!
Kann ich mitmachen?
Na klar! Wenn du Tutor:in oder SHK bist oder dich als solidarische:r Unterstützer:in engagieren willst, schreib uns gerne eine Mail an shk_marburg@gmx.de oder folg uns auf Instagram.
stellvertretend für die "Initiative für Studentische Hilfskräfte Marburg"