Wo liegt eigentlich das Problem? – Ein Blick hinter die Kulissen der Uni-IT

Wo liegt eigentlich das Problem? – Ein Blick hinter die Kulissen der Uni-IT

Bild: Annabell Sent

Neulich hat PHILIPP für euch eine Flop Five der Digitalisierung an der Uni Marburg zusammengestellt. Während der Recherche dafür sind wir natürlich auch neugierig geworden, wo denn nun eigentlich die Schwierigkeiten in der IT liegen und wieso es immer wieder zu Ausfällen kommt.

Um die Probleme des Uni-IT-Systems zu verstehen, haben wir mit Dr. Thorsten Arendt von der Stabstelle Strategische Digitalisierung und Projektmanagement und Haymo Hinz vom Hochschulrechenzentrum (HRZ) gesprochen. Sie haben uns im Gespräch erklärt, wie das IT-System historisch gewachsen ist und warum so langsam, aber sicher vieles besser laufen wird. Die IT gehört zu den Dingen, die uns immer nur auffallen, wenn etwas nicht so rund läuft. Wenn alles klappt, bemerken wir sie im besten Falle kaum. Versuchen wir also ein wenig einfühlsam zu sein und nachzuvollziehen, was eigentlich die Herausforderungen im Uni-IT-System sind.

Die Probleme

QISMarvinPOS … die IT-Landkarte der Uni Marburg gleicht einem Flickenteppich. Jeder Fachbereich scheint seine eigene Zusammensetzung an Software zu haben. Bis man die zehn verschiedenen Softwares seines eigenen Fachbereichs verstanden hat, können schonmal ein paar Semester ins Land gezogen sein … mit vielen, vielen E-Mails an das Prüfungsbüro. Noch wilder wird es dann, wenn man eine fachbereichsfremde Vorlesung besucht. Dann stellt man fest, dass wirklich jeder Fachbereich sein ganz eigenes IT-Süppchen kocht. 

Hier liege, laut Dr. Thorsten Arendt, auch eine der Ursachen für viele Herausforderungen. Da die Uni grundsätzlich dezentral organisiert sei, war auch die IT lange Zeit dezentral auf Fachbereichsebene angesiedelt. Ein Überbleibsel aus Zeiten, in denen man noch nicht global in Digitalisierungsmaßstäben gedacht habe. Das System sei dann historisch so gewachsen, erklärt Dr. Thorsten Arendt weiter.

Die Uni hat diese strategische Entscheidung lange nicht korrigiert. Stattdessen führte sie zu einem sehr großen, sehr komplexen IT-System. Einem System mit vielen Insellösungen, die eine Menge Verwaltungsressourcen verschlingen. Je nachdem, wie groß so ein Fachbereich ist, wurden mehr oder weniger Ressourcen in die Fortentwicklung gesteckt. Dadurch haben sich die einzelnen Fachbereiche auch in sehr unterschiedlichen Geschwindigkeiten entwickelt. In der IT-Welt spricht man auch von einem ‚Legacysystem‘. Genügt es den Ansprüchen nicht mehr, kommt ein neuer Flicken – eine neue Software – hinzu. So hat man wieder für ein paar Jahre Ruhe. Selten werden aber überflüssige oder redundante Komponenten aussortiert. Dadurch wird das System immer unübersichtlicher und trägt eine Menge Altlasten mit sich. Solche Legacysysteme gibt es zuhauf. Oft läuft selbst wichtige Infrastruktur, wie Bankensoftware, noch in uralten Programmiersprachen, die heute kaum noch ein Entwickler beherrscht.

Und wie kommt man da nun wieder raus?

Irgendwann muss man aber handeln, bevor so ein Legacysystem einem auf die Füße fällt, weil es zu unübersichtlich ist und zu viel Wartung braucht. In Marburg führte dies zu dem Entschluss, die dezentral betriebene Software in ein zentrales ‚Campus Management System‘ zu integrieren: Marvin. Die Uni führte Marvin, kurz für Marburger Verwaltungs- und Informationssystem, im Jahr 2016 ein. Diese Umstellung war allerdings ein Mammutprojekt, das bis Mai 2023 andauerte. 

Laut Haymo Hinz vom HRZ sei es auch hierfür eine Herausforderung, dass jeder Fachbereich unterschiedlich aufgebaut sei und verschiedene technische Anforderungen habe. Deswegen müsse für jeden Fachbereich einzeln ein Katalog der spezifischen Workflows erarbeitet werden. Keine Migration, also die Überführung zum neuen System, der Fachbereiche gleiche der anderen. So müsse nach und nach jeder Fachbereich einzeln migriert werden. 

Und die Warteliste ist lang. Der FB Erziehungswissenschaften stand anscheinend sehr lange auf dieser Liste. Damit so eine Migration sauber geschieht, muss die IT Marvin und die jeweilige Fachbereichs-Software ‚einfrieren‘ und die Daten übertragen, damit auch nichts verloren geht. Der Übergang dauert so seine Zeit und muss neben dem normalen Uni-Alltag gestemmt werden. „Das ist wie eine Operation am offenen Herzen“, erzählt Dr. Thorsten Arendt. Er fügt hinzu, dass sie generell auch in unkritischen Zeiten vollzogen werde und kurze Down-Zeiten mit sich bringe.

Die Migration ist nun aber geschafft. Mit der Medizin ist der letzte und größte Fachbereich migriert und die neuen Generationen dürfen sich auf ein schlankeres und einheitlicheres System freuen. Damit wird es in Zukunft hoffentlich wohl auch weniger IT-Flop Geschichten geben. 

(Lektoriert von hab, let und jok.)

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