Zufrieden mit dem Echo: Ein fragmentarischer Einblick in eine Rechtstagung

Zufrieden mit dem Echo: Ein fragmentarischer Einblick in eine Rechtstagung

Foto: Franziska Leiser

Die Stärkung des deutschen Kapitalmarkts und KI als Querschnittstechnologie: Die fünfte unter anderem vom Marburger Institut für das Recht der Digitalisierung (IRDi) veranstaltete Tagung fokussiert sich mit ihrem Schwerpunkt auf das Zukunftsfinanzierungsgesetz auf die Verknotung von Kapital, Recht und Digitalität. 

Im schlicht-modern gehaltenen, von einzelnen Neonröhren zur Deckenbeleuchtung ausstaffierten Eingangsbereich des Congresszentrums Marburg versammelt sich eine Gruppe von Menschen vor einem Tagungsraum. Der vorherrschende Kleidungsstil der sowohl aus Studierenden als auch aus Professor:innen, angereisten Vortragenden und anderweitigen Besucher:innen bestehenden Ansammlung ist business-casual: helle Hemden und Blazer, vereinzelt etwas dunklere Sakkos, gehoben aber nicht forciert. Viele tragen Lobby-Kaffe mit Untersetzern vor sich her, es ist noch früh, Tassengeklirre und Small Talk bereiten die Anwesenden auf die folgenden Vorträge vor. Es soll – das ist der verfügbaren Tagungsmappe und dem Programm zu entnehmen – um das so genannte Zukunftsfinanzierungsgesetz gehen, ein im April veröffentlichter Referentenentwurf, der den Kapitalmarkt Deutschlands stärken und unter anderem das Innovationspotential der deutschen Börse befeuern soll. Wie kommt es jedoch, dass eine solche Veranstaltung gerade in Marburg stattfindet? „Marburg ist in mehrerlei Hinsicht ein toller Standort“, berichtet Prof. Dr. Florian Möslein, Marburger Juraprofessor und Co-Direktor des IRDi. „Zum einen aufgrund der Universität selbst und des rechtswissenschaftlichen Instituts, zum anderen aufgrund der Nähe zu Frankfurt und somit dem Finanzmarkt.“ 

Komposita-Symposion und Kapital-Kummer 

Der von einer Fensterfront erhellte Tagungsraum ist mit ordentlich hintereinander angeordneten Stuhlreihen gefüllt. Jeder Platz besitzt eine eigene Wasserflasche mit dazu passendem Glas, daneben liegt ein mit dem Logo des Zentrums versehener Blätterstapel, darüber ist in paralleler Stellung ein schwarz-goldener Kugelschreiber positioniert. Die einleitenden Worte des Marburger Prof. Dr. Sebastian Omlor verdeutlichen Ziel und Ansatz der Tagung: Es sollen Überlegungen zur „Stärkung der Leistungsfähigkeit des deutschen Kapitalmarkts“ angestellt werden. Bei dem Zukunftsfinanzierungsgesetz handle es sich zudem um eine „Omnibusgesetzgebung“, die Auswirkungen auf mehrere Rechtsbereiche habe. Aufgrund der dadurch angesprochenen Komplexität des Themas könne die Tagung nur einen Überblick über zahlreiche wichtige Bereiche geben. Ihre Bedeutung ergibt sich laut seinem Kollegen und Mitdirektor Prof. Dr. Möslein demnach aus „der Plattform, die sie bietet, in der Themengebiete wie Wissenschaft, Praxis, Politik, Universität und Kapitalmarkt verbunden werden können. Von dieser Art Raum lebt die Universität und die Wissenschaft, das ist eine wichtige Triebkraft.“ Er versteht sie als „einen Ort, an dem wir voneinander lernen können.“

Darunter falle zum Beispiel der Finanzplatz Frankfurt, der Schwerpunkt des ersten Vortrags. Direkt präsentieren sich mir die Vor- und Nachteile meiner Fachfremde: Selbstverständlich werden Fachtermini und Abkürzungen heranzitiert, trotz meines Versuchs der Konzentrationsbündelung fühlt es sich an wie ein Schwimmen durch Konzepte. „Die Veranstaltung richtet sich primär an Rechtswissenschaftler:innen und soll sie bezüglich der Rechtslage up to date halten“, erklärt Prof. Dr. Möslein. „Sie soll auch darauf verweisen, dass das Recht etwas Dynamisches und Wandelbares ist, was im Studium selbst häufig zu kurz kommt.“ Meine Schwierigkeit mitzukommen ist demnach indirekt Teil des Konzepts. In dem ersten Vortrag wird unter anderem „die Wettbewerbsfähigkeit unseres Innovationsstandortes“ kritisiert. Neben dem Marburg-spezifischen BioNTech, das als Beispiel fällt, gebe es nicht viele deutsche, nicht von Fremdkapital finanzierte Unternehmen, die an der Börse gut mit anderen konkurrieren könnten, wodurch „die Kluft“ zu überregionalen Unternehmen wie Google und Facebook immer größer würde. Dem soll mit einer Verstärkung des „Innovationspotentials“ entgegengewirkt werden, besonders durch die „Frühphasentalentaktivierung“ an Hochschulen. Die Berücksichtigung und Förderung von Ideen von Studierenden könne dabei helfen, flächendeckend für mehr Innovationen zu sorgen. Konkrete Vorschläge für die Umsetzung und Implementierung dieser Wünsche werden nicht genannt, dafür fällt das Wort „Kapitalmarkt“ noch mehrere Male. 

Resonanzräume

Der zweite Vortrag wird von Dr. Norbert Kuhn, Leiter der Unternehmensfinanzierung am Deutschen Aktieninstitut, gehalten, also keinem Juristen. „Es ist uns wichtig, eine bunte Mischung an Menschen hier zu versammeln, um so auch eine Verbindung zwischen Praxis und Theorie herstellen zu können“, so Prof. Dr. Möslein, „Neben Rechtswissenschaftler:innen nehmen zum Beispiel auch Politikwissenschaftler:innen, Ökonom:innen und Börsenmitarbeiter:innen teil.“ Demnach fehlt in Dr. Kuhns Vortrag auch das präzise Fachvokabular der Rechtswissenschaft, dafür geht es um konkretere Probleme, die jedoch stets mit der Verbesserung des KAPITALMARKTS verknüpft sind. So sei denn auch Deutschland Opfer des EU-weiten Phänomens der mangelnden Leistungsfähigkeit der Kapitalmärkte, primär in der Altersvorsorge. Nur jede fünfte Person investiere in Aktien. Der Vergleich mit anderen Ländern, darunter Schweden, zeige jedoch, dass eine erhöhte Kapitalmarktleistung wiederum für höheres Geldvermögen in hohem Alter sorge. Worüber könne also jener Markt verstärkt werden? Durch eine erhöhte Aktieninvestition. Also mehr Geld durch die Investition von Geld? Wo soll dieses Geld herkommen?

Das Congresszentrum

Im Laufe dieses Vortrags wird klar, dass KAPITAL in diesen Räumen als abstraktes Gut angesehen wird, das primär als Antrieb für weitere ökonomische Systemteile zu fungieren scheint. INNOVATION, KAPITALMARKTVERSTÄRKUNG, STANDORTVERLUST VERMEIDEN, der ZUKUNFT hinterherrennen, bevor sie uns überholt. Wie steht es dennoch mit der Resonanz der Veranstaltung? „Es ist nach Corona schwieriger geworden, eine Tagung zu organisieren“, berichtet Prof. Dr. Möslein, „Vor Corona kamen wir gut auf 100-200 Teilnehmer:innen, jetzt sind wir bei ungefähr 60. Wir haben uns gegen die Option entschieden, die Veranstaltung hybrid anzubieten, da es uns wichtig war, einen präsentischen, geschützten Gesprächsraum zu schaffen und nicht im digitalen Nirgendwo zu diskutieren. Ich bin jedoch sehr zufrieden mit dem Echo!“

(Lektoriert von let und hab.) 

ist seit Mitte Februar 2023 Redaktionsmitglied. Studiert Literaturvermittlung in den Medien. Hat den Film "Babylon" acht Mal im Kino gesehen. 25 Jahre alt. Liebt schiefe Vergleiche.

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