Sneak-Review #1: „Sicario“

Sneak-Review #1: „Sicario“

Es ist dieser Moment, der das Sneak-Gefühl ausmacht: Die Lichter im Saal werden gedimmt, Werbung und Trailer sind endgültig vorbei und für einen Augenblick wird es ganz still. Kein Popcornrascheln, Chipsknistern oder Sitznachbarsgetuschel stört die Spannung, die beim Aufflackern der Produktionsfirmen und Verleiher auf der Leinwand entsteht. Die Kenner*innen unter den Zuschauer*innen wissen nämlich schon jetzt, welcher Film gezeigt wird. Spätestens bei den ersten Bildern entlädt sich die Spannung dann in freudig-erregtes Lachen, erwartungsvolles Gemurmel oder enttäuschtes Murren. Haben sich die vier Euro Eintritt gelohnt oder greifen bereits die ersten Cineast*innen nach ihren Jacken? Diese Woche in der Sneak des Cineplex Marburg: Das Drogen- und Kriminaldrama „Sicario“ von Regisseur Denis Villeneuve.

Schon in den ersten fünf Minuten des Films wird klar: „Sicario“ ist nichts für zarte Gemüter. Ein SWAT-Team stürmt ein Haus in der Nähe von Phoenix, in dem sich angeblich entführte Personen befinden sollen. Eine Hauswand wird eingerissen, es wird viel geschossen, eine Explosion gibt es auch. Entdeckt werden aber nicht die gesuchten Geiseln, sondern rund vierzig Leichen, die in den Wandzwischenräumen versteckt sind: Leinwandgroße Aufnahmen von blutigen Köpfen in Plastiksäcken. Das SWAT-Team übergibt sich nach dem Fund in den Vorgarten – und, um ehrlich zu sein, ist mir nach dem Anblick auch danach. Der weitere Plot ist im Grunde schnell erzählt: Die junge FBI-Agentin Kate Macer (Emily Blunt) – strebsam, idealistisch, geschieden – schließt sich einer ressortübergreifenden Sondereinheit an, die versucht die Verantwortlichen für den Vorfall zu stellen. Dabei geraten die Ermittler in den seit Jahren brodelnden Drogenkrieg an der Grenze zwischen Amerika und Mexiko. Mit dabei: Kates loyaler Partner Reggie (Daniel Kaluuya), der knallharte FBI-Agent Matt (Josh Brolin), der ganz unangepasst während der Besprechung Flip-Flops trägt, sowie Alejandro (Benicio del Toro), dessen Vergangenheit bewusst rätselhaft gezeichnet wird.

Kritik oder Glorifikation?

Dass im Kampf gegen die bösen mexikanischen Drogenbosse Klischees zur Genüge bedient werden, versucht „Sicario“ nicht einmal zu verbergen. Auf der amerikanischen Seite der Grenze wimmelt es nur so von Afghanistan-Veteranen, die ihr Land nun bereitwillig an dieser Grenze verteidigen. Amerikanische Flaggen, fette Autos und Waffen haben sie selbstredend mit im Gepäck. Auf der anderen Seite dagegen lauern hinterhältige Mexikaner mit Gesichtstattoos, korrupte Cops, armutsgeplagte Kinder und – ebenfalls – Waffen. Die Bilder der Grenzstadt Juarez, die dank ihrer erschütternden Kriminalitätsstatistik als „gefährlichste Stadt der Welt“ bekannt wurde, sind aber durchaus beeindruckend. Ein großes Motiv des Films ist daneben die übertriebene „Der Zweck heiligt die Mittel“-Mentalität der Ermittler – folterähnliche Verhöre, menschenunwürdige Behandlung von illegalen Einwanderern und unzählige erschossene mexikanische Kriminelle. Kate kritisiert zwar in Ansätzen das Vorgehen der anderen Teammitglieder, im Ganzen wird aber bedauernswerterweise nicht deutlich, ob der Film nun kritisch oder glorifizierend gemeint ist. Ein bisschen mehr Mut zu Reflexion und klarer Kritik hätte „Sicario“ nicht geschadet! In dieser Fassung wäre es auch durchaus nicht verwunderlich gewesen, wenn Donald Trump eine Nebenrolle bekommen hätte.

Bietet: Klare Feindbilder, viel Geballer, knallharte Jungs!

But to make a long Story short: Für Feingeister auf der Suche nach subtiler Unterhaltung ist „Sicario“ sicher nicht der richtige Film. Ein gewisser Unterhaltungswert kann ihm – gerade wegen seiner vorhersehbaren Aufregung – aber dennoch nicht abgesprochen werden. Wer auf klare Feindbilder, viel Geballer und knallharte Jungs steht, kommt sicher auf seine Kosten. Mit anderen Worten: Mag man Ego-Shooter, wird man auch „Sicario“ mögen. Und alle anderen haben ja in der nächsten Sneak wieder die Chance auf einen Film nach ihrem Geschmack.

Kinostart ist am 24. September 2015. Und hier geht’s zum Trailer.

FOTO: Studiocanal GmbH Filmverleih

Stellvertretende Chefredakteurin und Ressortleiterin Politik. Hat seit neustem ein abgeschlossenes Hochschulstudium - yeah! - und ist ein Fan von Katzen, dem Internet und Katzen im Internet.

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