Europäischer Protesttag zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung

Europäischer Protesttag zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung

Am 5. Mai ist der Europäische Protesttag zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung. Er soll darauf hinweisen, dass Menschen mit Behinderung in der europäischen Gesellschaft noch nicht gleichgestellt sind. Auch in Deutschland ist das der Fall, wie eine Studie der UN feststellte.

Häufigster Grund für Behinderungen: Krankheiten

In der EU leben etwa 87 Millionen Menschen mit Behinderung, mehr als 10 Millionen davon in Deutschland. 7,8 Millionen der deutschen Menschen mit Behinderung haben einen Schwerstbehindertenstatus. Dazu gehören die Menschen, die einen Grad der Behinderung von über 50 Prozent haben. Die meisten Behinderungen sind körperlich (58 %), geistige und seelische Behinderungen ergeben etwa 14 %. Als häufigste Ursache für eine Behinderung gelten Krankheiten, etwa 90 % der Behinderungen werden dadurch verursacht. Nur 3 % sind angeboren, 1 % sind auf Unfälle oder Berufskrankheiten zurückzuführen. Man erkennt daraus: Jeder Mensch könnte von heute auf morgen behindert werden. Dennoch erleben Menschen mit Behinderungen oft sehr große Nachteile und fehlende Barrierefreiheit in ihrem Alltag.

Seit 1994 gilt das Gesetz „Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden“ (Grundgesetz, Artikel 3, Absatz 3). Auch gilt seit 2009 in Deutschland die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK). Diese verpflichtet die Vertragsstaaten zur Etablierung eines inklusiven Bildungssystems, gleichberechtigter Teilhabe sowie Nicht-Diskriminierung und Barrierefreiheit. Diesen Februar hat die UN-Konvention überprüft, ob Deutschland den Regeln der UN-BRK nachkommt. Das Ergebnis: Deutschland hat noch nicht genug getan. Menschen mit Behinderung sind immer noch nicht mit Bürger*innen ohne Behinderung gleichgestellt. „Besonders in der schulischen Bildung, der Beschäftigung in Werkstätten und der Unterbringung in großen stationären Wohneinrichtungen gibt es große Probleme. Die Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen muss hier noch mehr gestärkt werden“, berichtet die Aktion Mensch. Auch die Teilhabe an der Gesellschaft für Menschen mit geistiger Behinderung ist noch nicht ausgebaut: Es fehlt zum Beispiel an barrierefreien Ressourcen in leichter Sprache.

„Viel vor für Inklusion: Selbstbestimmt leben – ohne Barrieren“

Auf diese Missstände möchte der Europäische Protesttag zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen aufmerksam machen. Das diesjährige Motto lautet: „Viel vor für Inklusion: Selbstbestimmt leben – ohne Barrieren“. Dazu gibt es deutschlandweit Demonstrationen und Proteste. Auch ruft die Aktion Mensch dazu auf, bei der Europawahl Stimmen für Abgeordnete abzugeben, die sich für Inklusion und Barrierefreiheit einsetzen.

Eingeführt wurde der Europäische Protesttag von der ISL – der Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben in Deutschland e. V. Den Impuls dazu gab Ottmar Miles-Paul, ein Mitbegründer der ISL. Der seh- und hörbehinderte Journalist und Aktivist ist seit Jahrzehnten in der Behindertenbewegung tätig. Zum Beispiel war er auch an der Ausarbeitung der Umsetzung der UN-BRK beteiligt und war Behindertenbeauftragter in Rheinland-Pfalz. Für seine Verdienste im Behindertenrechtsaktivismus wird ihm dieses Jahr das Marburger Leuchtfeuer für soziale Bürgerrechte der Humanistischen Union verliehen.

Marburg ist die Uni mit den meisten Schwerbehinderten deutschlandweit

Apropos Marburg: an der Marburger Uni studieren die meisten Menschen mit Schwerbehindertenstatus deutschlandweit. Dazu gehören etwa 150 blinde oder sehbeeinträchtigte Studierende und etwa 70 gehbehinderte Studierende. Oft schon wurde die Universität Marburg für besondere Barrierefreiheit ausgezeichnet – erhielt aber im Universitäts-Ranking von Barrierefrei Studieren nur eine 7.9. Zum Beispiel würden an mehreren Fachbereichen genügend behindertengerechte WCs oder Gebäudezugänge fehlen. Die Note „sehr gut“ erhielten „Assistenzleistungen“ und „speziell ausgestattete Arbeitsplätze“. Auch die Beratungs- und Servicestellen wurden als gut aufgestellt ausgezeichnet. Mangelhaft hingegen seien allerdings „technische Hilfsmittel“ oder die eben genannte Barrierefreiheit an verschiedenen Fakultäten. Wenn selbst die Universität Marburg – das Aushängeschild für barrierefreies Studieren – noch Missstände in Teilhabe und Barrierefreiheit aufzuweisen hat, man möge sich vorstellen, wie es behinderten Menschen in anderen Bereichen ihres Alltags ergehen muss.

(Lektoriert von let.)

ist 23 Jahre alt und studiert Literaturvermittlung in den Medien, sieht sich selbst aber immernoch als Anglistin. Sie weiß nichts über vieles, aber alles über Jane Austen.

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