Sneak-Review #104 – Molly’s Game
Nach „Shape of Water“ und „The Disaster Artist” bringt uns das Cineplex diese Woche einen weiteren hochkarätigen Oscar-Kandidaten in die Sneak: In dem biografischen Crime-Drama „Molly‘s Game“ von Regisseur Aaron Sorkin arbeitet sich Jessica Chastain von einer Olympia-Ski-Läuferin zum steinreichen Poker-Mogul der Stars in Hollywood hoch und gerät damit in zwielichtige Kreis.
Jung und erfolgreich steht Molly Bloom (Jessica Chastain) mit ihren 22 Jahren kurz davor, bei den Olympischen Spielen die Bronzemedaille fürs Freestyle-Skilaufen zu gewinnen. Bei einer alles entscheidenden Abfahrt passiert es: Einer der Skier löst sich, Molly fällt, zieht sich eine schwere Rückenverletzung zu und scheidet bei den Spielen aus. Alles scheint verloren.
Frustriert wendet sich Molly vom Skifahren ab und gerät durch ihren neuen Kellner-Job an einen Mann, der ihr eine ganz andere Welt zeigen soll. Er engagiert sie, ihm bei der Organisation von ganz speziellen Hinterzimmer-Pokerspielen zu assistieren, bei denen die großen Stars von Hollywood und der Wall-Street miteinander zocken. Ehrgeizig und ambitioniert fängt Molly an, ihre eigene Runde aufzustellen. Die Reichen und Schönen folgen ihr, um ihr Geld beieinander und vor allem bei Molly zu lassen. Eine Erfolgswelle nach der anderen bringt die junge Molly an die Spitze der nicht so ganz legalen Pokerszene. Molly Bloom, nun überall bekannt als die Poker-Prinzessin, lockt in ihrem Erfolgs- und Geldrausch bald nicht nur Mafiosi und Gangster-Bosse an – auch das FBI wird auf die junge Frau aufmerksam. Ihr mühsam aufgebautes Kartenhaus fängt an einzustürzen.
Eindrucksvolle Darstellungen und eine clever-rasante Erzählweise
„Molly‘s Game“ erzählt nach Molly Blooms Memoiren die wahre Geschichte der jungen Skiläuferin, die ins Pokermilieu rutscht und dort die echten Hollywoodstars und Konzernchefs mit Poker-Runden unterhält. Aaron Sorkin, der schon für die beiden Film-Biografien „The Social Network“ und „Steve Jobs“ die Drehbücher schrieb, erzählt hier in seinem Regiedebüt, neben der von Bloom selbstgeschrieben Biografie, auch das, was nach Veröffentlichung ihres Buches passierte. Denn zu Beginn des Films zeigt Sorkin Mollys Festnahme durch das FBI, zwei Jahre nachdem sie sich von der Pokerszene abgewandt hatte. Ein harter Kampf mit der Justiz beginnt.
Auf zwei Zeitebenen erzählt dieses Krimi-Biopic also die Geschichte von Molly Bloom. Zeitsprünge lenken den Blick von der von Molly aus dem Off selbsterzählten Erfolgsgeschichte zu einer Zeit nach ihrem Erfolg, in der sie mit ihrem Anwalt (Idris Elba) zusammen versucht, dem Gefängnis zu entgehen. Schnelle Schnitte, visuell eindrucksvolle Darstellungen und eine clever-rasante Erzählweise treiben den:die Zuschauer:in durch die unglaubliche, wahre Lebensgeschichte von Molly Bloom, sodass in der ersten Hälfte des Films nicht einmal die Gelegenheit besteht, an Langeweile zu denken. Überzeugend und selbstbewusst spielt Jessica Chastain die Poker-Prinzessin, die sich nicht unterkriegen lässt. Dennoch nimmt man es ihr gerne ab, wenn dieser nahezu blinde Ehrgeiz zu bröckeln beginnt und sie ihre schwächeren Seiten zeigen darf. Mindestens genauso unterhaltsam führen die rasenden Schlagabtausche zwischen Molly und ihrem Anwalt, von Idris Elba gespielt, durch die juristischen Diskussionen, die ohne diese Dynamik der beiden um einiges trockener hätten sein können.
Schnelligkeit hilft vor Langatmigkeit nicht
Doch kann das Tempo nicht über eine Länge von 140 Minuten Film hinwegtäuschen. Bei dauerhaft schlagfertigen Dialogen über juristische Abhandlungen, Poker-Regel-Erklärungen aus dem Off mit jeder Menge verwirrendem Fachjargon und sich dazu noch abwechselnden Zeitsprüngen, verliert man nach einer Stunde den Überblick und nach weiteren 20 Minuten das Interesse. So anschaulich und unfassbar das Leben der Molly Bloom anzusehen ist, so häufig verlieren die dauerhaft schnellen Dialoge an Essenz und Verständlichkeit und man wartet nur darauf, dass in einem letzten Satz des Abschnitts nochmal erklärt wird, was eigentlich gerade besprochen wurde, um wieder folgen zu können.
Doch verzeiht man dank überragender Darsteller und einer durch und durch interessanten Geschichte diese in der zweiten Hälfte auftretenden zähen Stellen. Der Film ist immer noch eine Biografie, eine Erfolgs- und Leidensgeschichte. Und diesen Stoff so zu erzählen, nähert sich trotz einiger Längen schon an ein „Wolf of Wall Street“-Niveau – mit weniger Drogen, weniger Brüsten, dafür aber ganz viel Jessica Chastain. Wer auf schnelle, clevere Dialoge à la „The Social Network“ und eine Krimi-Geschichte im Poker-Milieu steht, wird mit „Mollys Game“ auf jeden Fall seinen Spaß haben.
„Molly’s Game“ von Regisseur Aaron Sorkin startet am 8. März in den deutschen Kinos.
FOTO: STX-Films
Text: Linus Knell
Studentisches Magazin um Stadt und Uni Marburg