Sneak-Review #53: Swiss Army Man
Der vielleicht verstörendste Film, der jemals in der Sneak lief: Dan Kwan und Daniel Scheinerts surreale Tragikkomödie »Swiss Army Man«, die man sicher mit eigenen Augen gesehen haben muss, um zu glauben und zu verstehen was dort passiert. Oder eben auch nicht.
Vielleicht ist es sogar unmöglich über Swiss Army Man eine Rezension zu schreiben, die seine 97 Minuten angemessen in Worte fasst. Hätte ich diese Rezension nicht schreiben müssen, ich hätte das Kino wahrscheinlich irgendwann verlassen. Meine Mitbewohnerin schrieb mir zum Beispiel nach 40 Minuten: »Sorry ich hätte das nicht noch eine Stunde ausgehalten 🙈😅 Ich kann nie wieder Harry Potter gucken, weil ich jetzt immer an eine furzende Leiche mit dem Gesicht von Harry Potter denke.« Warum meine Mitbewohnerin Harry Potter erwähnt? Nun, einer der beiden Protagonisten des Films, Manny, wird von Harry Potter äh, Daniel Radcliffe, gespielt. Der andere, Hank, von Paulo Dano. Mir vor allem bekannt als der geistig-behinderte Verdächtige in Prisoners. Zwei junge Männer also. So weit, so harmlos. Bis wir an den Punkt kommen, an dem der Plot einsetzt. Und losgefurzt wird. Der Furz bestimmt den Plot. Aber schweifen wir nicht ab.
Leichen furzen nach dem Tod
Ausgangspunkt der Geschichte ist erst mal nicht die Leiche, sondern Hank (Paul Dano), der mitten in der Wildnis gestrandet ist. Als er kurz davor ist, sich zu erhängen, entdeckt er einen Körper (Daniel Radcliffe) am Strand. In der Hoffnung endlich auf einen (lebenden) Menschen getroffen zu sein, stürmt Hank zu ihm. Schnell merkt er, dass dieser seinen letzten Atemzug aber bereits getan hat. Sad, aber egal. Der Tote macht trotzdem auf sich aufmerksam. Durch die eben schon erwähnten Blähungen nämlich, die so ein Leichnam nach dem Tod von sich geben kann, wie man auch hier auf gutefrage.net weiß. Doch wer guckt schon so genau hin. Durch seine Furzgeräusche wird in Hanks Augen zumindest der Anschein gewahrt, dass Manny, so nennt er die Leiche, irgendwie lebt. Vergessen ist deshalb schnell der Strick. Und so schnappt sich Hank seinen neuen Leichenfreund, der ihm fortan auf seinem Weg zurück nach Hause zum liebevollen Weggefährten sowie bald auch Gesprächspartner wird. Sie reden dann quasi über alles: Müll, Busfahren, Selbstbefriedigung.
Ja, das ist die Geschichte. Ein einsamer, vom Leben irgendwie verlassener junger Mann, schleppt eine Leiche mit sich rum, die sein einziger Freund ist und dauernd am Pupsen, Furzen, Blähen ist. Mir war das einer zu viel. Natürlich, die Kulisse ist der Wahnsinn. Der Wald, die ganze Natur, die den beiden begegnet. Dazu die Farben und der schöne, seichte Indie-Soundtrack, der einen einlullt. Und pointierte, leise und manchmal etwas überdreht-kitschige Gespräche, wenn Hank etwa davon schwärmt, wie toll es ist Bus zu fahren, weil man dann wirklich sieht, wie das Leben und die Natur an einem vorbeizieht, hach. Diese Szenen sind schön, weil das Coming-of-Age ist und damit auch immer ein bisschen von einem selbst. Außerdem passen Dano und Radcliffe auch echt gut zusammen. So weird das alles auch aussehen mag.
Seltsamkeit gleich Genialität oder auch: #whatdidijustwatch
Fakt ist aber: All das ändert nicht, dass Manny und damit Daniel Radcliffe eine furzende Leiche ist. Eine süß-verträumte Erklärung dieses ganzen Spektakels, die es doch noch zur Indieromanze gemacht hätte, hätte es vielleicht rausgerissen. Vielleicht halte ich Kunstbanausin und verkopfte Realistin es aber auch einfach anders nicht aus, ohne Erklärung. Cineast:innen nämlich, die den Film an sich sehr hoch ranken, feiern naturgemäß genau das. Seltsamkeit gleich Genialität ist dort die Gleichung. Originiell, abgestimmt, wahnsinnig gefühlvoll und fantasievoll (indeed, da stimme ich auch zu!) ist dort der Tenor. Für mich persönlich funktioniert das nicht so wirklich. Ich war verstört und dachte nur »whatdidijustwatch«. Als am Ende dann das Schlusswort »Ach du Scheiße« fiel, fühle ich mich das erste mal verstanden und wohlig warm. Ja, man muss es wahrscheinlich einfach mit eigenen Augen gesehen haben.
»Swiss Army Man« kommt am 13.10. in die deutschen Kinos.
FOTO: Promo
PHILIPP-Gründerin und Chefredakteurin von 2014 - 2017.
Ist die Chefredakteurin auch Autorin bei moviepilot.de oder hat sie die Plotbeschreibung samt falscher Namen der Protagonisten von dort entlehnt?
http://www.moviepilot.de/movies/swiss-army-man
Hey! Ja, die Charakternamen habe ich mit Moviepilot abgeglichen, weil ich den Film leider in deutscher Sychro gesehen habe. Ist aber jetzt geändert. Danke auch dir für den Hinweis!
Für derartige Recherchen würde ich eher IMDb.com verwenden. Davon abgesehen: Wieso sollten ausgerechnet in einem Text auf moviepilot.de die Namen der Originalversion stehen? (Wenn Sie die deutsche Version rezensieren, könnte es Ihnen außerdem egal sein, ob die Figuren in der Originalversion auch so heißen, oder?)
Neben Hank und Manny tauchen Kent und Cliff im Text leider immer noch auf. Außerdem haben Sie denselben Fehler gemacht wie moviepilot.de (oder ihn von dort übernommen). Hank findet die Leiche an einem Strand, nicht an einem Fluss, was auch für die Handlung (in begrenztem Maße) wichtig ist.
Ist geändert. Danke für die Kritik. Empfehle übrigens auch diese Kritik auf zeit.de: http://www.zeit.de/kultur/film/2016-10/swiss-army-man-daniel-radcliffe-filmkritik
Klartext: Diese Kitik ist durch und durch daneben. Die sehr präsente Metaebene des Filmes wurde entweder gekonnt oder gewollt ignoriert.
Daniel Radcliffe auf Harry Potter zu reduzieren ist ignorant.
Ignorant ist ebenfalls der Umgang mit der offensichtlichen psychischen Störung des Kent, der einfach nur auf einen idiotischen Teen reduziert wird.
Ein Schelm könnte meinen, die Redakteurin hätte nur den Trailer gesehen.
Ich für meinen Teil, würde der Redakteurin dringendst nahe legen, sich auf Kritiken weniger anspruchsvoller Filme zu konzentrieren, da ihr privilegiert-anmutender Horizont in diesem Fall eindeutig überschritten wurde. Sie sagt es ja auch selbst, siehe „Kunstbanausin und verkopfte Realistin“.
Dem kann ich nur beipflichten. Gerade diese scheinbare Simplizität des Filmes , die durch das Ende revidiert wird, macht diesen Film zu einem Meisterwerk.
Das mehrfach erwähnte Furzen dient hier zwar auch dem humoristischem Zwecke, soll allerdings auch die suggerierte Einfachheit unterstreichen.
Leider entspräche jede weitere Interpretation einem Spoiler, da das Ende den Film komplett wandelt.
Vielleicht sollte ein anderes Redaktionsmitglied die nächste Rezension übernehmen.