Miss Sophie wäre enttäuscht: Premiere von Miss Sophies Erbe
Foto: Amelie Berting
Meet5 wird bühnenreif. So heißt das neue Theaterprojekt des Kennenlernen-Start ups Meet5. Das Unternehmen ermöglicht Freizeittreffen verschiedenster Art, vor allem für die Altersgruppe 40+. Meet5 wird bühnenreif feierte nun nach Erarbeitung des Stücks Miss Sophies Erbe die Premiere am 29. Februar in der Waggonhalle in Marburg.
Das Theaterstück behandelt die Testamentsverkündung der nun verstorbenen Miss Sophie aus dem Fernsehhit Dinner for One. Zu der Testamentsverkündung sind die Nachfahren der vier verstorbenen Freunde von Miss Sophie geladen. Ludmilla Stroganoff, eine scheiternde Opernsängerin und Tochter des Admiral Bonnie Schneider, inklusive persönlicher Assistentin Gundula. Der Sohn von Mister Pommeroy – Vornamen nicht bekannt. Siegfried Roy Toby, Modeikone und Adoptivsohn, beziehungsweise heimlicher Liebhaber, des Sir Toby. Und schließlich Gilla Winterbottom, Ehefrau und Pflegerin von Herby Winterbottom, Sohn von Henry Winterbottom.
Schon auf dem alten Landsitz der Miss Sophie anzutreffen sind Butler Paul, ein Notar und Köchin Marlies. Wendepunkt des Stücks ist die Aufklärung von Miss Sophies Vergangenheit und die Wahrheit über die mysteriösen Tode ihrer damaligen Freunde. Um es zusammenzufassen: Miss Sophie wurde in der Vergangenheit von Schneider, Toby, Pommeroy und Winterbottom während eines Erbschaftsprozesses um ihr Geld betrogen und hat im Laufe der Jahre mithilfe ihres Butlers James Rache geübt, welche im unerklärlichen Tod der vier Männer endete. Zudem stellt sich heraus, dass der angebliche Notar im Stück der Sohn von Miss Sophie und James ist und dieser nun mit seiner Frau Marlies und seinem Sohn, Butler Paul, den Plan seiner Mutter vollendet.
Das Szenenbild umfasst lediglich einen Raum. Ein Wohnzimmer mit uriger Einrichtung, das ganz an das Esszimmer der Miss Sophie, wie wir es seit den 1960ern kennen, erinnert. Die Komposition der Requisiten wird offen gehalten, sodass das Publikum wie ein Teil der Trauergäste erscheint.
Unangenehme Sexualisierung
Ein großer Teil des Stücks ist die sexuelle Vergötterung des Butlers Paul durch Gilla, Siegfried Roy und Ludmilla. Die Vielzahl der Komik wurde versucht, auf diesem Handlungsstrang aufzubauen, was dem Stück die benötigte Authentizität und einen moralischen Kompass nahm. Ob jetzt nun eine Art „woker“ Anspruch bestand oder nicht, steht hierbei nicht zur Debatte, aber es kann nicht sein, dass heutzutage noch Humor auf Kosten von Frauen und deren Sexualisierung aufgebaut werden muss. Wie beispielsweise, dass Gilla auf ihre laszive Körpersprache reduziert wird, Ludmillas Beziehung zu ihrer Assistentin gänzlich daraus besteht, sich gegenseitig für ihre Sexualität zu verurteilen, oder ein Witz über das Parktalent einer Frau zum humoristischen Höhepunkt gemacht wird – um ein paar Beispiele zu nennen.
Zudem beeinflussen die teilweise übergriffigen Verhaltensweisen der drei gegenüber Paul den Handlungsverlauf der Geschichte nicht. Jeder der drei Charaktere hat ihm nachts „Gesellschaft“ zu leisten, ihn ohne Einverständnis zu „verführen“. Doch diese geschmacklose Art von „kokettem Humor“ hätte es nicht gebraucht, um auf das gewollte Ende der Geschichte zu kommen.
Das Kammerspiel wurde als „schwarze Komödie“ angepriesen (Definition schwarze Komödie), doch leider war hier das Thema des Todes und der Trauer durch den angewendeten Humor nicht leichter zu ertragen, hat es doch eher auf unangenehme Art und Weise behandelt.
Wink mit dem Zaunpfahl in Richtung patriarchaler Sozialisierung?
Die Schauspielenden haben alle glaubwürdig ihre Charaktere verkörpert und man hat dem Spiel auch den Spaß an dieser Kunstform angesehen, jedoch hätte das Zusammenspiel der Darsteller*innen in ein paar Momenten harmonischer funktionieren können. Teilweise wurden Sätze nicht abgewartet oder Reaktionen kamen zu spät, dies muss man aber unter Berücksichtigung einer gewissen Nervosität und des Laienseins der Theatergruppe betrachten. Schließlich handelt es sich hierbei um ein in der Freizeit gefundenes Ensemble, welches das Theater für sich entdeckt hat.
Schließlich ist zu sagen, dass das Stück den Humor der Mehrheit im Publikum getroffen hat, was hierbei als Wink mit dem Zaunpfahl in Richtung patriarchaler Sozialisierung gelesen werden kann. Die Frage ob das Stück auf diese Weise eine Gesellschaftskritik innehielt beziehungsweise die Witze eine Satire ihrer selbst sind, hat sich leider im Laufe des Abends durch die Ernsthaftigkeit und Quantität dieser erübrigt. Am Ende muss jede Person für sich selbst entscheiden, inwiefern sie diesen Humor hinterfragen und auch konsumieren möchte – es ist und bleibt Geschmackssache.