Sneak-Review #109 – Early Man
Eine kleine Gruppe Rückständiger kämpft gegen eine hochmoderne Übermacht. Die Macher von „Wallace & Gromit“, „Shaun das Schaf“ und „Chicken Run“ wagen mit ihrem neuesten Stopmotion-Film „Early Man“ den Versuch, die Zeit ein wenig zurückzudrehen.
Vor sehr langer Zeit. In der Nähe von Manchester. Ein Meteorit hat gerade die Dinos ausgelöscht, schon beginnt ein Haufen Höhlenmenschen diesen herum zu kicke. Das Spiel Fußball ist erfunden. Einige Generationen später haben Dug (Eddie Redmayne) und sein Stamm das Spiel ihrer Vorfahren vergessen. Sie sind inzwischen sesshaft geworden, jagen Hasen – keine Mammuts – niemand denkt mehr an das Spiel mit der runden Kugel. Höhlenmalereien von Fußbällen werden als gescheiterte Versuche gedeutet, Hasen zu zeichnen.
Doch gerade als eine erneut erfolgreiche Jagd gefeiert wird, betritt die Bronzezeit in Form des französisch klingenden Bösewichts Lord Nooth (Tom Hiddelston) die Bühne. Die technologisch überlegenden Bronze-Menschen vertreiben den Stamm aus ihrer Heimat. Nur Dug landet in der Hauptstadt des Reichs und muss feststellen, dass sie dort etwas Bekanntes vergöttern. Sie haben sogar einen riesigen Tempel für Tausende von Menschen gebaut, um ihre Religion auszuüben. Fußball ist die Religion der Stadtbewohner. Um seine Heimat zurückzugewinnen, fordert Dug die überbezahlten Profis zu einem Match heraus. Immerhin haben die Steinzeitmenschen in der Nähe von Manchester das Spiel erfunden, wer sagt, dass sie es nicht auch gewinnen können?
Britische Humor-Schule
Zugegeben, die Grundgeschichte ist nicht gerade kompliziert. Auch erzählerisch betritt man bei „Early Man“ selten neue Welten. Doch verzeiht man dem Film seine fehlende Innovation schnell aufgrund der hohen Gag-Dichte. Dabei liegt der Witz häufig im Detail. Die komplette Leinwand wird für diverse visuelle Gags ausgenutzt, in den Dialogen verstecken sich charmante Doppeldeutigkeiten und die einzigartige Technik der Stopmotion Animation erlaubt es angestaubten Slapstick-Humor in Höchstform auflaufen zu lassen. Den Machern gelingt dabei eine gute Mischung, was „Early Man“ sowohl für Kinder als auch deren Eltern unterhaltsam machen dürfte.
Die größte Stärke des Films ist schließlich dessen Charm. Fingerabdrücke auf den anatomisch nicht ganz korrekten Knetfiguren, der charakteristische Wallace-Überbiss und nicht zuletzt die Vielzahl an Dialekten lassen den Film ein wenig in seiner eigenen Zeit spielen. Wie gut die Voice-Over Fähigkeiten von Eddy Redmayne und Maisie Williams sich ins Deutsche übersetzen lassen, lässt sich schwer sagen. Was sich jedoch beobachten lies: Die OV-Besucher klatschten am Ende des Films, die Besucher der deutschen Version verließen mit langen Gesichtern den Saal. Vielleicht klingt der trockene, britische Humor auf Deutsch eben so.
Ein Brexit-Film?
Natürlich könnte man die Geschichte eines kleinen isolierten Stammes, der gegen eine multi-nationale Übermacht in blaugelben Trikots kämpft, um seine Heimat zurückzugewinnen, als Brexit-Metapher verstehen. Ein Film also, der auf Tradition setzt und sich gegen Fortschritt wehrt? Wohl kaum. Tradition und Religion werden in „Early Man“ als beengend für die einzelnen Figuren dargestellt. Die Figur von Maisie Williams möchte Fußball spielen, als Frau, undenkbar! Um Teil der Religion zu sein, müssen alle eine freiwillige Geldspende abtreten. Der Film nimmt diese Themen, wie alles, mit Humor und löst sie ebenso humoristisch. In erster Linie ist es eben eine Komödie geworden, wie man sie von Aardman gewohnt ist. Vielleicht nicht so einprägsam wie frühere Werke, doch auf jeden Fall unterhaltsam – im Original-Ton zumindest.
„Early Man“ startet ab dem 26. April in den deutschen Kinos.
Foto: Aardman Animation
Chefredakteur von 2017-2018 aus Gründen.
Kann ganz gut mit Worten, halb gut mit Menschen.
Studiert nebenberuflich Medienwissenschaften.