Sneak Review #221: Rache auf Texanisch

Sneak Review #221: Rache auf Texanisch

Credits: Universal Pictures International Germany

Mit der schwarzen Komödie Rache auf Texanisch (OV: Vengeance) liefert B. J. Novak sein Regie-Debüt. Zwei unserer Redakteurinnen waren in der Sneak, um ihre Kritik darüber mit euch zu teilen.

Ben Manalowitz (B. J. Novak) genießt das Leben des modernen Städters in New York City. Er arbeitet als Journalist für den New Yorker und hat – wie viele weiße, mittelalte Männer – den Traum von einem eigenen Podcast. Er hat einige Ideen und Theorien, aber keine Geschichte, wie ihm seine Redakteurin (Issa Rae) erklärt: Geschichten werden von Menschen erzählt, nicht von Ideen.

Doch dies ändert sich schlagartig, als er eines Nachts einen Anruf von einem Unbekannten erhält, der ihm aufgelöst erzählt, dass Bens Freundin Abby (Lio Tipton) gestorben sei. Der unbekannte Anrufer entpuppt sich im Laufe des Gesprächs als Ty Shaw (Boyd Holbrook), der Bruder der Toten. Ben hat jedoch keine Freundin, stattdessen hatte er vor einiger Zeit eine flüchtige Affäre mit dieser jungen Frau, die er beinah wieder vergessen hätte. Trotzdem beschließt er, bei der Beerdigung in Texas zu erscheinen. Dort erwarten ihn nicht nur eine Reihe von Südstaaten-Klischees, sondern auch ein Thema für seinen Podcast, als Ty ihm eröffnet, dass er nicht glaubt, dass Abby an einer Überdosis starb, sondern dass sie ermordet worden sei. Sie müssten nun den Mörder finden und den Tod seiner Schwester rächen, so Ty.

Die Meinung von Elena Weller:

Ein Film, der leicht unterschätzt werden kann

Abbys Familie ist zwar herzlich, aber erfüllt Vorurteile über Texas: Alle wirken ein bisschen dümmlich und sogar der 8-jährige Sohn trägt eine Waffe. Wie fehlplatziert sich Ben als New Yorker in Texas fühlt, wird immer wieder in amüsanten Szenen dargestellt, welche die Kulturunterschiede betonen. Jedoch stellt jede Person, der Ben begegnet, seine Überzeugungen in Frage. Von Abbys Geschwistern bis hin zu einem philosophierenden Plattenproduzenten (Ashton Kutcher), der Ben ermutigt, der Welt zuzuhören, anstatt darüber nur zu reden. Während in Rache auf Texanisch immer wieder amüsante Szenen auftauchen, spricht der Film auch einige soziale Probleme der (amerikanischen) Gesellschaft an: Themen wie Drogensucht, Verschwörungstheorien und den Medienkonsum.

Was einen als Zuschauer fast überrascht ist, dass diese Themen wirklich mit der Bedeutung, die ihnen zusteht, behandelt werden. Man erwischt sich dabei, wie man den Film – ganz wie der Protagonist das mit den Texanerinnen und Texanern macht – als zu einfältig unterschätzt.

Zu viel Witzfigur, zu wenig Bindung

Der Plot ist originell und einige Szenen beinhalten relevante und clevere Kommentare über unsere Gesellschaft und trotzdem kann man sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass sich in fünf Jahren noch jemand an den Film erinnern wird, denn was in der ersten Filmhälfte so gut funktioniert, gelingt dem Film am Ende nicht mehr. Ab der Hälfte, wenn der Film anfängt, sich mehr in das Thriller-Genre zu begeben, wirkt er plötzlich ein bisschen fade, weil man nicht so richtig weiß, für wen man „rooten“ will: Der Film gibt uns genügend Gründe über Ben zu lachen (er wird als oberflächlich und ahnungslos dargestellt), deswegen funktioniert der Comedy-Part des Films auch so gut. Allerdings kriegen die Zuschauenden kaum Gründe geliefert, Mitgefühl für Ben entstehen zu lassen. Trotzdem versucht der Film, die Zuschauenden mitfiebern zu lassen, wie der Protagonist versucht das Rätsel um Abbys Tod zu lösen. Diese emotionale Bindung lässt sich zu Ben nicht aufbauen, weil er zu häufig als Witzfigur dargestellt wird.

B. J. Novak ist als Ryan aus The Office bekannt und liefert mit Rache auf Texanisch sein Debüt als Regisseur. Er hat zudem das Drehbuch geschrieben und spielt die Hauptrolle des Films. Man fragt sich, ob sein Werk darunter leidet, dass eine Person zu viel auf einmal versucht hat.

Mehr Zuhören, weniger Podcast aufnehmen

Rache auf Texanisch hat keine großen, unvorhersehbaren Handlungswendungen und als Zuschauer fällt es schwer eine emotionale Verbindung zur Hauptfigur aufzubauen, weil Ben eher als lustiger, aber oberflächlicher Typ anstatt als emotionale Bezugsperson dargestellt wird. Vielleicht hätte das sich durch mehr Arbeitsteilung am Set verhindern lassen können. Trotz allem hat der Film den Kinosaal an vielen Stellen zum Lachen gebracht und hat eine ziemlich clevere Art, seine Botschaften zu übermitteln. Die Message, die Ben und die Zuschauenden lernen, ist, dass wir einander mehr zuhören müssen. Ben hört auf, sein Interesse für die Menschen um ihn herum für den Podcast vorzutäuschen und beginnt, echten Wert auf seine Mitmenschen zu legen. Nicht jeder muss seine Gedanken in einem Podcast aufnehmen (oder möglichst viel auf anderen Plattformen unterwegs sein). Das ist etwas, dass wir in unserem digitalen Alltag zu oft vergessen.

Die Meinung von Anni Vodberg:

Ein holpriger Anfang und ein schwacher Mittelteil

Zu Beginn des Films lernen wir Ben als ehrgeizigen Junggesellen mit vielen Affären kennen, der die ganz großen Geschichten Amerikas erzählen will. Umso merkwürdiger erscheint es, dass er sich sofort an den neun Flugstunden entfernten Ort in Texas begibt. Dieser holprige Start ließe sich leicht verzeihen, wenn der Mittelteil überzeugen würde – was er leider nicht tut.

Zwar dürfen sich alle The Office-Fans freuen, wenn B. J. Novak’s Blick an zwei Stellen ein bisschen zu lange in der Kamera verweilt, wodurch an den Mockumentary-Stil der Serie erinnert wird und dadurch eine gewisse Nostalgie entsteht. Doch trotz der unterhaltsamen Situationen schafft es der Film nicht, einen komplett in seinen Bann zu ziehen – dafür sind die Comedy-Momente zu selten und der fehlende Anteil an wirklich tiefen Dialogen zu spürbar.

Eine Geschichte des Zuhörens und ein Spannungsbogen, der nicht überzeugt

Obwohl der Titel Rache auf Texanisch zu der Annahme verleitet, dass das Hauptthema Vergeltung sei, entwickelt sich der Film doch als eine Geschichte des Zuhörens. Nachdem Ben von seiner Podcast-Redakteurin Eloise darauf hingewiesen wird, dass er die Menschen einfach erzählen lassen soll, und er aufhört, sie zu unterbrechen, findet er die richtige Erzählperspektive für seine Geschichte.

Wer gut aufpasst, bemerkt, dass dieser Hinweis nicht nur für Ben, sondern auch für das Publikum wichtig ist. No Spoiler, aber nur so viel: Es gilt die literarische Technik von Tschechows Gewehr, das in einer Szene kurz angesprochen wird („Man kann kein Gewehr auf die Bühne stellen, wenn niemand die Absicht hat, einen Schuss daraus abzugeben.“). Und weil diese schwarze Komödie in Texas spielt, kann sich nun jeder seinen Teil denken.

So nimmt der Film erst in den letzten fünf Minuten an Fahrt auf und löst die Spannung, die zuvor kaum aufgebaut wurde. Eine überraschende Wende bringt hier eine Auflösung für ein Problem, das dem Publikum vorher gar nicht wirklich bekannt war.

Lockere Art besticht

Trotz seiner Schwächen besticht der Film durch seine lockere Art und witzigen Momente. Es bleiben zum Schluss nur noch wenige Fragen zu klären: Wieso klingen die deutschen Titel immer so unnötig kompliziert, wenn es der Inhalt nicht ist, und wann hören weiße Männer endlich auf, Podcasts zu produzieren?

Rache auf Texanisch läuft am 19.01.2023 in den Kinos an:

(Lektoriert von let.)

ist 2002 in Berlin geboren und studiert Soziologie im Bachelor. Seit Januar 2023 beim Philipp Magazin in der Redaktion aktiv

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