Sneak Review #222: Caveman

Sneak Review #222: Caveman

Laura Lackmann bringt das Theaterstück Defending the Caveman von Rob Becker als deutsche Komödie auf die Leinwand. Starttermin ist der 26.01.2023.

Der erfolglose Autoverkäufer Robert „Bobby“ Müller (Moritz Bleibtreu) will sich seinen Kindheitstraum als Stand-up-Comedian erfüllen, doch kurz vor seinem Auftritt trennt sich seine Frau Claudia (Laura Tonke) von ihm. Auf der Bühne will er zusammen mit dem Publikum die unterschiedlichen Geschlechterverhältnisse ergründen und die Frage beantworten, ob er nun laut seiner Frau wirklich der Vollidiot war oder nicht.

Die Meinung von Laura Bonnet

Deutscher Komödie eine Chance gegeben – erneut enttäuscht

Caveman hat es bereits mit dem verhängnisvollen Genretitel „deutsche Komödie“ nicht leicht. Viele belächeln diese Art von Film und erwarten erneuten Elyas M’Barek Toilettenhumor, der nicht mal mehr als seichte Unterhaltung durchgeht. Caveman hat zwar ein paar bewegende und wissensanreichernde Momente, doch leider hat Lackmann nicht den Mut dazu, über den offensichtlichen Tellerrand zu blicken und mehr aus dem Film zu machen, was die Prämisse sehr gut hergeben würde.

Das Konzept ist ein alter Hut und es ist frustrierend, Geschlechterdebatten auf einem so niedrigen Niveau und Kinderschuhstadium erneut diskutieren zu müssen. Der Film stellt eine Adaption des Solo-Theaterstücks Defending the Caveman dar, das seit 1991 am Broadway sehr erfolgreich aufgeführt wird. 1991 und 2021 (das Jahr, an dem der Film eigentlich erscheinen sollte, Corona sei Dank) liegen 30 Jahre auseinander. In dieser Zeit haben sich so viele andere Dimensionen eröffnet als die Frage, ob die moderne Frau dem modernen Mann nicht die Männlichkeit raube und er einfach wieder zu dem Steinzeit-Stigma „er = Jäger“ und „sie = Sammler“ zurückkehren sollte. Ist es nicht ermüdend im 21. Jahrhundert einen Mann zuzusehen, der alte Stereotypen von einem Frauenbild aufwärmt, darüber urteilt und sich jeglicher Verantwortung in einer Beziehungskrise verweigert? Wie kann es sein, dass ich aus diesem Film gehe und die große Moral ist, dass sich der Mann von seinem inneren „Caveman“ verabschieden muss und der Frau auf Augenhöhe begegnen soll? Wie lässt sich diese Moral auf einen Film übertragen, der Claudia ständig aus der Sicht ihres Mannes zeigt und ihr selbst nur die letzten zwei Minuten im Film als aktive Erzählerin lässt? Falls die Absicht war, damit einen neuen progressiven Beitrag für die Gesellschaft zu leisten, hat der Film diese Aufgabe um Meilen verfehlt.

Silhouetten auf dem Weg zum Ausgang

Ich möchte nicht behaupten, dass der Film nicht in der Lage ist, neue Fassaden der komplexen Geschlechterverhältnisse zu eröffnen, denn das stimmt so nicht. Aussagen wie „Seepocken suchen sich erst beim Akt, das Geschlecht aus“ oder eine wissenswerte Rede über Emanzipation geben zu Beginn Hoffnung, dass der Film noch eine andere Richtung einschlägt, als die bereits erwartete. Aber nein: Die Hoffnung wird durch infantile Sex Witze, wie eine Übungs-App zur oralen Befriedigung der Frau, zerquetscht. So erhoben sich auch immer wieder junge Menschen von ihren Kinositzen und suchten den Ausgang. Es stellte sich die Frage, für wen dieser Film gemacht wurde? Den modernen Mann? Die moderne Frau? Menschen, die mit einer festgefahrenen Ehe bereits Erfahrung haben? Eins ist sicher, für junge Leute ist dieser Film nichts. Er löst eine Frustration aus, die kaum zu beschreiben ist. Die immer gleichen Debatten erneut aufgewärmt zu bekommen und sich zu fühlen, als müsste man als Frau immer noch darum kämpfen, dass der männliche Partner auch einen Finger im Haus rührt, lässt einen an der Qualität des deutschen Kinos zweifeln. Das Sneak-Publikum bewertete Caveman zu 41% positiv und zu 59% negativ. Das Theaterstück lockte im Vergleich weltweit über acht Millionen Zuschauer an. Von mir gibt es jedoch keine Empfehlung.

Die Meinung von Elena Weller

Anachronistisch und abwechslungslos, aber beliebt

Laura Lackmanns Komödie Caveman basiert auf einem amerikanischen Theaterstück mit dem Originaltitel Defending the Caveman.Nachdem es 1991 auf dem Broadway prämierte, zog das Stück weltweit über acht Millionen Zuschauer an. Vielleicht gehört die Story auf die Bühne, vielleicht gehört eine Handlung wie diese, über die Wesensunterschiede von Männern und Frauen, auch grundsätzlich in das Jahr 1991.

Eine banale Story über „männliche Instinkte“

Regisseurin Lackmann nutzt Robs Stand-Up Publikum im Film, um die Zuschauer im Kino in die Geschichte zu integrieren: Der Rob auf der Leinwand wird genau wie der Rob auf der Bühne vom Publikum verurteilt. Dadurch erzeugt Lackmann eine Art gebrochene vierte Wand, ein außenstehendes Bewusstsein für die Story. Das ist wichtig, denn die Story ist sehr banal: Rob fühlt sich als Man in der modernen Gesellschaft nicht frei genug. Er findet, dass es Männern heutzutage schwieriger gemacht wird ihren „natürlichen Instinkten“ zu folgen: dem Jagen. Frauen dagegen haben es einfach: Sammeln ist in unserer kapitalistischen Gesellschaft durch Shoppen verankert.

Rob und Claudia hatten sich am Anfang ihrer Beziehung vorgenommen nie in die typischen Rollenbilder von Mann und Frau zu verfallen, aber dieser Vorsatz hat nur bis zur Hochzeit angehalten. Nachdem der Pfarrer die beiden zu „Mann und Frau“ erklärt hat, war ihre Beziehung nicht mehr dieselbe. Rob erzählt seinem Publikum wie sehr er darunter leide, dass Claudia und er diese Rollen angenommen haben, aber gute Beispiele, weshalb es ihm durch diese Rollenverteilung schlechter geht, kommen nicht: Er kann nicht den ganzen Tag Fernsehen, weil seine Frau lieber kuscheln möchte, und er wird zum Einkaufen geschleppt, weil er seit mehreren Tagen, mit dem Selbem dreckigem T-Shirt rumläuft. Auf der anderen Seite muss Claudia nach ihrer Arbeit noch Rob bitten, sich auch mal um den Haushalt zu kümmern.

Warum braucht es Man-Child-Comedies?

Warum hat sich Regisseurin Lackmann also entschlossen, diese Geschichte zu erzählen? Zuschauer, die lachend im Kino saßen, würden darauf antworten: Weil die überspitzte Darstellung von klischeebasierten Geschlechterunterschieden lustig ist. Aber ob ein paar lustige Szenen in einer veralteten Story wie dieser einen Film sehenswert machen, bleibt jedem selbst überlassen. Trotz allem kam der Film passabel beim Publikum an. Im Kino wurde oft bei Szenen gelacht, in denen der Witz intendiert war.

In einem New York Times-Artikel aus dem Jahr 2012 schreibt der Filmkritiker Patrick Goldstein über die Beliebtheit von Filmen, die er als „Man-Child-Comedies“ bezeichnet. Diese basieren alle auf einem ähnlichen Schema: unterdurchschnittlich erfolgreiche Männer verhalten sich wie kleine Kinder. Die Männer in diesen Filmen haben oft erfolgreiche Frauen, die ihre Plot-Funktion erfüllen, indem sie ein Problem aufbauen: Es wird ein Ultimatum gestellt oder mit einer Trennung gedroht. Caveman fällt genau in diese Kategorie von Man-Child-Comedies. Szenen, in denen Rob mit Claudia diskutiert (ob er Putzen muss oder ob er mit einem fleckigen T-Shirt die Bühne betreten sollte), könnten Wort für Wort den gleichen Dialog haben, wenn statt eines Mitte 40-Jährigen ein 8-jähriger Junge die Hauptfigur wäre und mit seiner Mutter streiten würde. Warum gefällt also vielen sowas? Goldstein argumentiert, dass die Komödie letztendlich eine Kunstform voller Unfug ist, welche durch Misstrauen gegenüber der Verantwortung von Erwachsenen geprägt ist. Ein Film, in dem sich ein erwachsener Mann wie ein kleiner Junge verhält, spiegelt das im Kern wider.

„Eine ganz alte Tür“

Die Hälfte der Sneak-Zuschauer, die dem Film eine oder gleich eine doppelte negative Bewertung hinterlassen haben, hat das nicht überzeugt. Eine Erklärung dafür ist, dass der Film sehr aus der Zeitgefallen wirkt. Regisseurin Lackmann ist sich darüber bewusst, dass ein Geschlechterthema, wie es zuerst 1991 in einem Theaterstück behandelt wurde, nicht mehr auf dieselbe Art aktuell ist. „Ich fand gut, eine ganz alte Tür zu nehmen, um in die Zeiten, in denen wir leben, hineinzugehen“, wird sie in einem SWR2-Interview zitiert.

Der Film versucht an mehreren Stellen zu beweisen, dass er dieses Bewusstsein hat, wie als das Publikum gefragt wird, ob Rob denn jetzt ein „Arschloch“ ist, und viele Stimmen bejahen. Allerdings frage ich mich als Zuschauerin dann: Wenn der Film weiß, dass Rob ein Arschloch ist, der Zuschauer weiß, dass er ein Arschloch ist, und sogar seine Frau Claudia das weiß, warum gucke ich mir dann 100 Minuten an, in denen sich ein Mitte 40-Jähriger wie ein Kleinkind verhält und am Ende (Achtung Spoiler:) sich trotzdem seine Frau für den Streit zwischen ihnen entschuldigt?

Caveman lief am 26. Januar 2023 in den deutschen Kinos an.

Credits: Laura Lackmann/Constantin Film

(Lektoriert von let und hab.)

ist 2002 in Berlin geboren und studiert Soziologie im Bachelor. Seit Januar 2023 beim Philipp Magazin in der Redaktion aktiv

Studiert Literaturvermittlung in den Medien in Marburg.
24 Jahre alt.
Beim PHILIPP seit Januar 2023 innerhalb der Redaktion und Lektorat aktiv.

Hat eine Katze, aber leider auch eine Katzenhaarallergie.

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