Lites Leben in Marburg: Das Marburger Literaturforum
Trotz seines langen Wirkens scheinen nur wenige davon zu wissen: Das ehrenamtliche Marburger Literaturforum ist schon seit mehr als 30 Jahren in Marburg aktiv. Es lädt Gegenwartsautor:innen zu uns nach Marburg ein, um Lesungen mit ihnen zu veranstalten, und bietet danach Diskussionen und Fragerunden zu den jeweiligen Themen an. PHILIPP stellt euch das Forum vor, weil es auch für Studierende interessant sein könnte.
Seit der Gründung des Forums betätigten sich die verschiedensten Leute aus dem Germanistik-Fachbereich der Uni Marburg an dem Verein. Gründer ist Wilhelm Solms (Germanist), der zu der Zeit in Marburg gewohnt hat und an der Uni als Professor lehrte. Der Vorsitz war lange an die Lehrenden am Institut für Neuere Deutsche Literatur gebunden. Aktuell besteht die Verbindung zum Institut durch Elisa Risi. Sie ist wissenschaftliche Mitarbeiterin und Dozentin im Studiengang Literaturvermittlung in den Medien. Als zweite Vorsitzende des Forums kümmert sie sich um Kooperationen mit der Uni Marburg und um die Verbindung zu den Studierenden.
Studierende schreiben für den Blog
Das Hauptanliegen des Marburger Literaturforums besteht darin, Veranstaltungen über Gegenwartsliteratur zu initiieren und dadurch eine Begegnung zwischen zeitgenössischen Autor:innen und Literatur-Interessierten zu schaffen. Bei diesen Veranstaltungen legt der Verein großen Wert auf die Vermittlung, also eine ausführliche Einführung und Moderation zum jeweiligen Thema, Buch und Autor:in. Wichtig sind ihnen ebenfalls die Diskussionen, die nach jeder Lesung stattfinden, da gerade hier ein direkter Austausch zwischen Schriftsteller:in, Buch und Publikum entstehen kann. Diese Lesungen nutzt Risi auch für ihre Seminare und erzählt PHILIPP im Interview, dass sie ihre Studierenden einmal zu einer Veranstaltung von Marie Gamillscheg und Judith Hermann mitgenommen hat. Risi bat sie, einen Blogbeitrag darüber zu verfassen. Diesen konnten sie nicht nur im Rahmen ihrer Prüfungsleistung nutzen, sondern durften ihre Texte außerdem im offiziellen Blog des Forums veröffentlichen. Risi beschrieb diese kleine Exkursion als eine tolle Gelegenheit, journalistisches Schreiben anhand einer Veranstaltung im aktuellen Literaturbetrieb zu üben und den Texten ihrer Studierenden einen öffentlichen Raum zu bieten. Eine kleine Anekdote gibt es auch aus dem Seminar von Prof. Dr. Doren Wohlleben, die zu der Lesung von Saša Stanišić im Herbst 2021 ebenfalls ihre Studierenden mitnahm. Im Nachhinein erzählten die Studierenden, dass sie ohne den Seminarkontext nie zu der Lesung gegangen wären und es für viele sogar die erste Lesung war. Das Literaturforum bietet somit für Seminarteilnehmende der literaturwissenschaftlichen Studiengänge die Möglichkeit, Ereignisse des literarischen Lebens und der Literaturvermittlung live erleben zu können. Die öffentlichen Lesungen, meint Risi, sind etwas Besonderes, da „das Lesen zu Hause und das Vorlesen in der Öffentlichkeit ganz unterschiedliche Dinge sind. Literatur ist nicht nur da, um stumm rezipiert zu werden. Lesen kann viel in einem auslösen, was dann eine Stimme braucht. Das kann viel mit dem Text machen, wenn man den Menschen sieht, der hinter dem Buch steht. Man geht dann ganz anders an den Text ran.“
Auch ohne den Kontext eines Seminars oder ohne direkt Mitglied zu werden, können Studierende Blogbeiträge für das Forum schreiben, wie es beispielsweise die Studentin Laura Relitzki zu der Lesung von Norbert Hummelt getan hat. Die Studentin erzählt PHILIPP, dass sie dadurch eine ganz andere Sichtweise auf Lesungen erhalten hat: „Ich denke schon, dass mich das Schreiben für den Blog darin geschult hat, genauer hinzusehen, das zunächst stille, fast ereignislose Format einer Lesung so zu beobachten, dass schließlich ein Text entsteht, der über die reine Inhaltsparaphrase hinausgeht.“ Gewisse Standards und Kenntnisse des literaturkritischen Schreibens sind hierbei erwünscht sowie das Forum eine gewisse Zuverlässigkeit voraussetzt, damit Pressekarten, also kostenlose Karten, zu den Lesungen vergeben werden. „Wer zuverlässig mit uns eine Kooperation vereinbart, kann die Lesung kostenfrei besuchen“, bestätigte die erste Vorsitzende Friederike Wissmach dem PHILIPP Magazin. Durch dieses Angebot schafft das Marburger Literaturforum einen Rahmen, in dem sich Studierende außerhalb des wissenschaftlichen Schreibens ausprobieren können.
Literatur nicht nur im wissenschaftlichen Kontext
Dadurch dass das Forum eng mit dem Institut des Fachbereichs 09 verbunden ist, eine wissenschaftliche Mitarbeiterin der Uni zweite Vorsitzende ist, könnte der Verdacht entstehen, dass sich das Literaturforumausschließlich aus Wissenschaftler:innen zusammensetzt, was ein Irrtum ist. Die Mitglieder gehen den verschiedensten Berufen nach: Dabei sind Literaturwissenschaftler:innen, Buchhändler:innen, Lehrer:innen und auch Studierende. Friederike Wissmach etwa hat am Institut promoviert sowie gearbeitet und ist jetzt Lehrerin. Sie erzählt PHILIPP, dass diese Vielfalt nicht nur für praktische Fragen, wie man z.B. einen Büchertisch sinnvoll bestückt, bereichernd ist. Die Vernetzungen der verschiedenen Communities, die die Mitglieder aus ihrem Umfeld mitbringen, sind für das Forum essenziell: Man erfährt von anderen Literaturvereinen in Marburg und lernt zudem beispielsweise eine:n Literaturblogger:in kennen, von deren/ dessen Erfahrungen das Literaturforum profitiert. Die Perspektiven seien durch den Berufspluralismus vielfältig, erklärt Wissmach weiter: Es kommen unterschiedliche Lesegewohnheiten, Vorlieben für Genres und Themenvorschläge zusammen, die sich in den Veranstaltungen niederschlagen. Die Begeisterung für Literatur und Gespräche darüber verbindet die Mitglieder.
Studierende als aktiver Teil des Forums
Studierende, die im Literaturforum Mitglied sind, werden nicht nur für das Flyern in der Mensa benötigt. Stattdessen stellen sie einen aktiven Teil des Vereins dar und bereichern ihn auch mit inhaltlichen Vorschlägen. Benita Berthmann, die als Studentin des Masterstudiengangs Literaturvermittlung in den Medienim Verein seit 1 ½ Jahren aktiv ist, begleitet die Veranstaltungen live auf Twitter und kümmert sich gelegentlich um die Social-Media-Präsenz. In einem Gespräch erzählte sie PHILIPP, dass es ihr besonders viel Spaß bringt, das kulturelle Leben in Marburg aktiv mitzugestalten. So war beispielsweise die Lesung mit Till Raether ihr Einfall.
Oft geht der Verein nach den Lesungen essen, hier ist der Austausch mit den Schriftsteller:innen und ihren Kolleg:innen sehr intensiv, erzählt sie PHILIPP. Die Verbindung zu dem jeweiligen Buch wird so vertieft und Kontakte mit Leuten, die ähnliche Interessen haben, können geknüpft werden: „Durch das Literaturforum sind also meine kulturellen, sozialen und wissensrelevanten Interessen abgedeckt“, erklärt Benita.
Förderung studentischer Projekte
Seit diesem Jahr hat das Marburger Literaturforum angefangen, studentische Projekte zu finanzieren. Sie fördern junge Autor:innen aus den Bereichen Belletristik, Sachbuch und Wissenschaft, unterstützen literarische Initiativprojekte und bieten ein Forum für Schul- und Studienprojekte. Das zeigte sich beispielsweise bei der Förderung des Schreibwettbewerbs Anfang Februar, der von Lehrredaktion des Studiengangs Literaturvermittlung in den Medien unter der Leitung von Dozent Manuel Bauer organisiert wurde. Hier wurden die Büchergutscheine vom Forum mitfinanziert, die als Preise übergeben wurden, sowie das Projekt über die Kanäle des Vereins beworben.
Seit vielen Jahren hat der Verein nicht mehr solch eine finanzielle Unterstützung für Studierende geleistet. Vor sechs Jahren, so Wissmach, unterstützte das Marburger Literaturforum einen jungen Lyriker-Kreis, der Hilfe beim Druck seines ersten Bandes brauchte. Sechs Jahre ist eine lange Zeit, um das Engagement an studentischen Projekten wiederaufzunehmen. „Möglichkeiten, die Wünsche der Studierenden zu verwirklichen, bestehen, sind aber noch ausbaufähig“, erklärt Wissmach. Es muss bei vorgeschlagenen Autor:innen jedoch darauf geachtet werden, welche interessanten Leute regional gerade auftauchen und was für das Marburger Publikum relevant ist. Das Literaturforum betont trotzdem: „Wer sich engagieren und Veranstaltungen mitorganisieren mag, ist herzlich willkommen! Autor:innen lernt man außerdem kennen. Es wäre toll und auch unser Wunsch, mehr Studierende zu erreichen und dass diese auch zu Lesungen kommen und direkte Vorschläge mitbringen würden.“ Als studentisches Mitglied zahlt man einen geringen solidarischen Jahresbetrag von 5€. Die Lesungen sind für alle Mitglieder kostenlos.
Falls Ihr jetzt Lust bekommen habt, eure Schreibkünste bei einer Lesung auszuprobieren, eine Veranstaltung des MLF zu besuchen oder direkte Wünsche und Vorschläge an sie habt, dann schreibt ihnen gerne per Mail: info@literaturforum-marburg.de, benutzt das Kontaktformular auf ihrer Website https://www.literaturforum-marburg.de/ oder sprecht sie bei einer ihrer Lesungen an.
Eine Veranstaltung hat PHILIPP auch für euch besucht, um sich ein leibhaftiges Bild von der Arbeit des Marburger Literaturforums machen zu können. Innerhalb der neuen Reihe Narrative um Weiblichkeit, Selbstbestimmung und Mutterschaft – ein Diskurs zwischen Literatur, Medien und Wissenschaft las am 10.03. Elina Penner aus ihrem Debütroman Nachtbeeren.
Studiert Literaturvermittlung in den Medien in Marburg.
24 Jahre alt.
Beim PHILIPP seit Januar 2023 innerhalb der Redaktion und Lektorat aktiv.
Hat eine Katze, aber leider auch eine Katzenhaarallergie.
Ein Gedanke zu “Lites Leben in Marburg: Das Marburger Literaturforum”