Sneak-Review #234: Champions

Sneak-Review #234: Champions

Die von dem Philosophen Nick Bostrom erdachte Simulationshypothese besagt, verkürzt ausgedrückt, dass wir real lebende Menschen nur Simulationen sind und demnach gar nicht wirklich existieren. Diese Theorie wurde 1999 durch Matrix, einen Film der Wachowski-Schwestern, der sich in seiner Weltgestaltung an den Schriften des Philosophen Jean Baudrillard orientierte, popularisiert. Einige Figuren in Matrix, und da sind sie uns womöglich einige Schritte voraus, wissen, dass sie in einer vorprogrammierten Welt leben, die von anderen Entitäten gesteuert wird. Filme wie der in der Sneak gezeigte Champions stellen unwiderlegbar fest, dass wir in einer Simulation leben müssen, weil sie nur als Pointe über die Nutz- und Wertlosigkeit menschlichen Glücks, als Witz der Kräfte, die unsere Realität bestimmen, angesehen werden können.

Fluffiges Feel-Good Nichts

Champions ist das amerikanische Remake des spanischen Filmes Campeones (dt.: Wir sind Champions), also ist er bereits in dieser Hinsicht nur die leichte Verschiebung und Veränderung von bereits existierendem Code. Der leidenschaftliche Basketballcoach Marcus (Woody Harrelson) besitzt NBA-Ambitionen, drückt jedoch nur die Bank als unbeachteter Assistenzcoach in einer der unteren College-Ligen. Marcus denkt zu sehr an das Spiel und alle möglichen Züge, hat aber kein Gefühl für die dahinterstehenden Menschen. Unzufrieden und frustriert mit seiner Position, führt ein durch alkoholisiertes Fahren verursachter Unfall dazu, dass er gerichtlich verpflichtet wird, eine Mannschaft aus neurodivergenten Menschen zu trainieren. Der Film verläuft komplikationslos, fast schon vorbestimmt, entlang der daraus ableitbaren Schleifen. Eine realitätsverzerrend banale ‚Underdog‘-Geschichte, die natürlich auch mit einer forcierten Liebesgeschichte zwischen Marcus und einer als Tinder-Affäre beginnenden Beziehung zu Alex (Kaitlin Olson) ausgestattet werden muss. Bereits durch die Sneak-Wertungen wird deutlich: So etwas mögen Menschen, oder wie man dieses Zusammenspiel aus Programmzeilen auch nennen möchte. 

Dem Film zugutehalten zu wollen, dass das Casting von neurodivergenten Schauspieler:innen eine de-stigmatisierende Funktion hat, wäre unzutreffend, da er auch in diesem Aspekt lediglich seiner spanischen Vorlage folgt. Inwiefern kann – und dabei möchte ich nicht für eine Gruppe sprechen, zu der ich nicht gehöre, sondern einen narrativen Trend hervorheben, der auch in Champions präsent ist – von Repräsentation die Rede sein, wenn die Schauspieler:innen zwar gut spielen, aber immer nur in denselben stereotypisierten Rollen auftreten? Ihre Figuren erhalten nur wenige Charakterzüge, wobei die Gestaltung bei einigen nicht über wenige, aus ihrer Neurodiversität hervorgehende Verhaltensweisen hinausgeht.  

Der vorher durch Komödien wie die beiden Dumm und Dümmer-Filmen aufgefallene Regisseur Bobby Farrelly überträgt die Plumpheit und allzu bereite Positivität des Drehbuchs auch auf seine Bildgestaltung. Die Farben der Welt in Champions wirken immer etwas zu grell, zu erzwungen einladend. Zu kalkuliert strahlt die freudeverkündende Sonne durch die großen Fenster der Turnhalle, nur der blendende Schnee der Stadt Des Moines kann sich mit ihr messen. Farrelly inszeniert eine Welt der oberflächlichen Werbung. Die Gegenstände, mit denen seine Figuren vermeintlich tagtäglich interagieren – von Marcus‘ überraschend luxuriöser Wohnung bis hin zu Alex‘ sehr ordentlich ungeordnetem Haus – wirken wie 3D-Kopien aus einem Möbelkatalog, alles erweckt den Anschein von Funktionalität, ist aber eigentlich völlig leblos. Die zu gewinnenden Basketballspiele versprechen zunächst visuelle Abwechslung, verkommen dann aber zu repetitiv gefilmten Spielaufzeichnungen. Das Basketballfeld wird auf Augenhöhe so aufgenommen, dass der Weg des Balls nachvollziehbar bleibt, aber es wird nie mit anderen Raum-Kamera-Konstellationen gespielt. Es ergibt sich ein Rhythmus aus Einstellungen, in denen wir Spieler:in, Ball und Korb gleichzeitig sehen und denen, die nur zwischen dem getroffenen Korb und der folgenden Jubelreaktion hin- und herschneiden. 

Positivität als Ware

Champions vertritt in seiner Absicht, seine Zuschauenden in einer wohlig-heiteren Atmosphäre zu ersticken, eine reduktive Weltsicht. Die Realität des Films lässt sich in einfach verpackte, massentaugliche Gegensätze von Gut und Böse, nett und gemein, tolerant und etwas intoleranter einteilen. Das Gute wird dabei in durchgehenden Dauerschleifen, die möglicherweise ein Programmierfehler sein könnten, betont. Probleme werden zwar anerkannt, aber nur, um dann beiläufig und ohne größere Konflikte gelöst zu werden. Positivität zu vertreten und verbreiten zu wollen, mag an sich ein erstrebenswertes Unterfangen sein, aber was ist sie wert, wenn sie so nuancenlos, unkompliziert und oberflächlich ist? Champions bietet in Büro-Meetings von unbekannten Kräften statistisch ausgewertetes Wohlsein, das zur Gewinnmaximierung in die erwartbarsten Formen gegossen wurde. Ein Film wie Zuckerwatte: künstlich süß und sowohl haptik- als auch substanzlos.  

Kein Fehler in der Matrix: Champions wurde zu 97% positiv und zu 2% negativ bewertet. 

(Lektoriert von hab und lab.)

ist seit Mitte Februar 2023 Redaktionsmitglied. Studiert Literaturvermittlung in den Medien. Hat den Film "Babylon" acht Mal im Kino gesehen. 23 Jahre alt.

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