Sneak-Review #244: Bed Rest

Sneak-Review #244: Bed Rest

Der Film als Schlafexperiment: Lori Evans Taylor erzählt in ihrem einschläfernden Horror-Regiedebüt Bed Rest von einer schwangeren, ans Bett gefesselten Frau, die mit den Ausgeburten ihrer Umgebung und Vergangenheit zu kämpfen hat. Der Film wurde in der letzten Sneak des guten Geschmacks gezeigt.  

Julie (Melissa Barrera) ist nicht Herrin im eigenen Haus. Die frisch bezogene, an einem See gelegene Immobilie wimmelt noch von anderen Menschen, Handwerker:innen, die dieses baufällige Haus wieder bewohnbar machen sollen. So kennt sich denn auch Julie als Antiquitätenhändlerin mit der Restauration und Aufarbeitung von Vergangenem für die so genannte Gegenwart aus. In einem Moment überlagern sich kurz beide Ebenen: Ihr Ehemann Daniel (Guy Burnet) findet ein altes Armband, das er Julie überreicht, ein Geschenk des Hauses. Dennoch blicken beide in die Zukunft: Julie ist schwanger. Zusammen mit dem neuen Eigenheim erhoffen sie sich einen neuen Lebensabschnitt. Nachdem Julie jedoch stürzt und von ihrem Arzt bis zur Entbindung zu strenger Bettruhe verpflichtet wird, öffnet sich in den schier endlosen Stunden der Langeweile der Raum für die Vergangenheit, der sich mit dem physischen Raum des alten Hauses vermischt.  

Bettgestellhorror, oder: Wann kommt denn nun der Sandmann?

Doch wie genau sind diese Räume aufgebaut? Bed Rest orientiert sich in seiner Struktur – wie der Titel bereits vermuten lässt – an der Bettruhe, die Julie verschrieben wurde und teilt demnach seine Szenen in Tage auf, die sich nach und nach dem Tag der Entbindung nähern. Der Film traut sich jedoch nicht die Frustration und Langeweile, die Julie fühlt, in seinem Grundbau formal zu imitieren oder zu verstärken, weil er sich dafür zu schnell erzählt. Es mag zunächst einleuchten, dass Julie bereits nach wenigen Tagen entnervt um sich blickt und nicht weiß, was sie mit ihrer Zeit anfangen soll, doch diese Entwicklung ereignet sich viel zu hastig. So gelingt es dem Film nicht, das volle Potential seiner eigenen Prämisse auszuschöpfen. Die Langeweile, die unvermeidlich beim Zuschauen entsteht, ist leider ein vom Film unintendierter Nebeneffekt. 

Denn sowohl das Erzähltempo als auch die Figurengestaltung und das Schauspiel weisen auf eines hin: bloß keinen eigenen Raum für vollkommene Stille und Gedanken entstehen lassen, bloß nicht das Risiko eingehen, die Aufmerksamkeit der Zuschauenden auch nur im Entferntesten herauszufordern. Kein Bild, kein Moment darf länger für sich stehen, alles muss immer emotional, immer direkt und laut sein. Hier von ausgearbeiteten Figuren zu sprechen wäre wie bei einer dünnen Matratze von einem einwandfreien Schlafplatz zu sprechen: funktional, aber letztendlich doch etwas hart. Julie und Daniel sind nämlich durch den Film wabernde Wesen, die lediglich auf ihre Konfliktfähigkeit und vergangene Traumata beschränkt werden. Der daraus hervorgehende Fokus auf Julies Vergangenheit, in der sie sich unter anderem mit Depressionen auseinandersetzen musste, positioniert sie im Laufe der Handlung als die potenziell wieder VERRÜCKT und HYSTERISCH werdende Frau, die vielleicht wieder mal in eine ANSTALT gebracht werden müsste. Es wäre möglich, dieses Handlungsmoment kreativ einzusetzen, damit zu spielen, es kritisch umzukehren, aber Bed Rest ruft diese inzwischen mehr als veraltete Situation nur unverändert auf, um sie als weiteren Baustein für sein ohnehin schon wackliges Fundament einzusetzen und hat, über diese Funktion hinaus, nichts dazu zu sagen.

Das Jumpscarefestival verschlafen

Bed Rest ist ein zehrend unterdurchschnittlicher Horror-Film, weil er überhaupt nicht an der Vielfalt seines Genres interessiert ist. Der Film versucht den Grundkonflikt seiner trotzdem blass bleibenden, weil darauf reduzierten, Hauptfigur als Antrieb für seinen Horror zu nutzen. Doch die filmische Verarbeitung von Julies vergangener, traumatischer Schwangerschaft wird mit dem immergleichen, den Konflikt somit entkräftenden, Mittel verhandelt: dem ‚Jumpscare‘. Jumpscares, der plötzliche Einsatz von lauten Geräuschen, die entweder nach einem Moment der Stille oder einer häufig von Geigengezische begleiteten Tongestaltung ausbrechen und häufig mit einem scheinbar gruseligen Bild zusammenfallen, bilden das billigste Werkzeug des Genres. Sie sind die filmisch gewordene Abkürzung einer simplen Auffassung von Horror, weil sie selbigen nur als eine Ansammlung an Schreckmomenten auffassen, die einfach durch unvorhergesehene (oder unvorhergehörte) Schallspitzen herbeigeführt werden müssen. Billiges Werkzeug kann dennoch effektiv eingesetzt werden, aber nicht in der Häufung, die Bed Rest aufweist. Die Platzierung der Jumpscares ist völlig beliebig, in manchen Momenten sogar absurd, wenn mehrere solcher Tonbomben auf engem Raum aneinandergereiht werden und nicht nur die Atmosphäre der jeweiligen Szene zerstört wird, sondern sich vor allem eine Angst um das eigene Trommelfell einstellt.  

Der Film sträubt sich an einigen Stellen scheinbar gegen seine eigene Oberflächlichkeit und versucht, Bilder zu kreieren, die kein plötzlich einsetzendes lautes Geräusch benötigen, sondern sich stärker aus Julies inneren Konflikten ergeben. Doch selbst diese Momente ersticken im Dickicht überzeichneter Emotionen und schneller Schnitte, weil ihnen dadurch kein Raum zum Atmen gelassen wird. Generell ist es schwierig, in Bed Rest ein Gefühl für das eigentlich so wichtige Haus zu bekommen. Lori Evans Taylors Regie bleibt viel zu zweidimensional, die Bildkomposition zu flach und uninspiriert, weil sie nichts aus dem ihr gebotenen Raum macht. Die Beige-Grau-Farbmischung, die anscheinend fast jeden Horrorfilm für sich einnehmen muss, lässt auch hier kaum Platz für eine eigene Identität, für ein eigenes Raumgefühl. All das, um anscheinend dem langweiligsten Ziel nachzugehen, das ein Film haben kann: zu unterhalten. 

Bed Rest ist eine alte, heruntergekommene Geisterbahn in einem Dorf, das kaum noch Einwohner:innen hat. Ein quietschender, kleiner Wagen fährt eine vorher festgelegte, aber kaum überraschende Strecke ab, schlecht bemalte Pappfiguren platzen ab und zu aus einigen Ecken heraus, gut, dass kein Eintritt bezahlt werden musste. Gelangweilt wird das kurzweilige Vergnügen verlassen, vor Müdigkeit werden alle währenddessen gefassten Gedanken vergessen, jegliche Inhalte lösen sich vollständig auf. Es scheint fast wie ein schlechter Traum. 

No Rest for the Wicked: Bed Rest wurde zu 67% positiv und zu 33% negativ bewertet. 

Bed Rest kommt am 15.06. in die deutschen Kinos. 

(Lektoriert von hab und bjr.)

ist seit Mitte Februar 2023 Redaktionsmitglied. Studiert Literaturvermittlung in den Medien. Hat den Film "Babylon" acht Mal im Kino gesehen. 23 Jahre alt.

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