Sneak-Review #255: Haben Sie versucht, es aus und wieder aus zu machen?

Sneak-Review #255: Haben Sie versucht, es aus und wieder aus zu machen?

Bild: J. Kiritsis

Matt Johnson erzählt in seinem dritten Spielfilm die Entstehungsgeschichte des BlackBerrys als Mockumentary-Büro-Drama, das versucht, einschneidende Analyse und affektgeladene Technologie-Satire zu verbinden. Was hat das BlackBerry verändert und warum sah es so hässlich aus? 

„Hörst du das?“, Mike Lazaridis (Jay Baruchel) wendet sich an seinen Freund und Mitgründer ihrer Firma Research In Motion Doug (Matt Johnson), der ihn im Stress des bevorstehenden Pitch-Meetings nur verwirrt anschaut. Ein statisches Rauschen geht durch den Raum, wie Meereswellen durch ein kaputtes Radio. Mike kontrolliert alle Geräte in diesem fremden Büro. Ah, die Sprechanlage, ein kleiner Kasten auf dem Schreibtisch. Bevor er es auseinandernimmt, dreht er das Gerät um: MADE IN CHINA, „Das Zeichen des Teufels“, murmelt Mike. Dieses Meeting könnte zum erhofften Verkauf ihrer neuesten Erfindung, einem E-Mail-Telefon-Hybrid namens ‚PocketLink‘ führen, doch Mike kann schlechte Arbeit nicht ausstehen, besonders wenn er sie leicht verbessern kann. Er behebt den Fehler, die Stille funktionierender Technik erfüllt den Raum. Mike kann wieder klar denken. Nun zum Verkauf.

Ungenaue Erfindungen

Die Geschichte, die BlackBerry seinen Zuschauenden verkaufen möchte, wirkt zunächst etwas kontraintuitiv, ein Witz mit vorweggenommener Pointe: Es gibt nicht viele Arten, auf die ein Film über das berühmte Mobiltelefon enden kann, was jedoch nicht heißt, dass die Geschichte deshalb nicht erzählenswert wäre. BlackBerry stellt sich in seinem Erzählbogen in eine Reihe bekannter Filme über technologische, firmenzentrierte Innovationen, die einem fiktionalisierten Spannungsbogen angepasst wurden. Der Film erzählt, auf der Grundlage des Buches Losing the Signal der Journalisten Jacquie McNish und Sean Silcoff, eine Geschichte, die – und hier einer meiner Lieblingsformulierungen, wenn es um Authentizitätsversicherungen geht – ‚auf realen Ereignissen basiert‘. Erfahrungsgemäß bedeutet das in Filmen nur, dass Namen verwendet und Begebenheiten angeschnitten werden, die mal in irgendwelchen Dokumenten erwähnt wurden. Wo Filme wie Jobs (2013) die Arbeit vieler durch einen Fokus auf die Leistung eines einzelnen Genies verschleiern oder sie wie im kürzlichen Air: Der große Wurf (2023) als kapitalistische Erfolgsgeschichte zelebrieren, möchte BlackBerry einen unmittelbareren Ansatz wählen. Der Film folgt den in diesem Genre allgegenwärtigen Stationen von Aufstieg, Erfolg, Verrat und Niedergang, bleibt dabei aber immer überraschend kompakt und figurennah.

Die Figuren, in deren Nähe er uns bringen möchte, sind allesamt fehlerhafte Beta-Versionen. Jay Baruchel spielt den in seiner eigenen Schüchternheit und Unsicherheit erstickenden Mike durchweg eintönig als stilles Genie. Mike fühlt sich erst richtig wohl, wenn er sich über noch fehlerhafte Geräte beugen kann, im Namen des Fortschritts muss er jedoch auch lernen, in Konfrontationen zu bestehen. Regisseur Johnson verleiht Doug eine angenehme Offenheit, kommt aber nicht über den Typus des nerdigen besten Freundes hinaus, auch wenn es ihm in wenigen Momenten gelingt, dieses Klischee durch gut gesetzte Witze etwas auszuhebeln. Als Mitglied einer sich als wohlhabend präsentierenden oberen Mittelschicht spielt Glenn Howerton, bekannt aus der zynisch-anarchischen Comedy-Serie It’s Always Sunny in Philadelphia, den Hyperkapitalisten Jim Balsillie. Howerton schafft es, unterschiedliche Facetten aus seiner fast immer von Aggression angetriebenen Figur herauszuholen, ist dabei aber durch das Drehbuch an diese Emotion gekoppelt. Dadurch wird die Nähe zu den Figuren BlackBerry letztendlich zum Verhängnis, weil sie nicht interessant genug sind, um diesen genauen Blick zu rechtfertigen und die Zeit zu füllen, die wir mit ihnen verbringen.

Gestörtes Signal

Kompaktheit und Nähe können also, wenn sie ungenau verwendet werden, auch einengend sein. BlackBerry beweist jedoch bereits in seinen ersten Minuten, dass er Enge eigentlich gezielt einsetzen kann. Der Film erzählt sich hauptsächlich als Aneinanderreihung von wichtigen Gesprächen zwischen bereits angeheuerten oder baldigen Firmenmitgliedern, in Büroräumen und Meeting-Rooms – eine Szenenfolge, die zumindest in ihren Grundzügen an, natürlich, Oppenheimer (2023) erinnert, auch wenn Johnson stets linear erzählt und seine Gespräche monotoner inszeniert. Die eigentliche Arbeit, die hinter diesen Innovationen steckt, findet in Montagesequenzen und kurzen Gesprächen statt, die schnell bahnbrechende Erkenntnisse hervorbringen. Das Interesse liegt also in den Auswirkungen der Erfindung, auf der Marke, aber nicht primär auf den Figuren. Matt Johnson und sein Kameramann Jared Raab präsentieren diesen Wandel in dokumentarisch-hektischen Wackel-Einstellungen und engen Nahaufnahmen. Im Verlauf des Films weicht diese durch die Ekstase einer neuen Erfindung belebte Hektik der Statik einer leblosen Maschine. Konventionelle Schuss-Gegenschuss-Einstellungen wechseln sich mit Aufnahmen riesiger Gebäude und schwarzer Privatjets ab, Insignien eines gefestigten Reichtums. Das ist alles effektiv erzählt, aber dennoch konventionell. Der Eindruck einer beobachtenden Neutralität, den die Inszenierung erzeugt, beißt sich mit den auf Spannung ausgerichteten Momenten. Es sind Affekte, die ins Leere laufen, Signale, die nie wirklich ankommen.   

Eine Art der Leere, die BlackBerry auch anderweitig umtreibt. Was genau war das BlackBerry und wofür stand es? Das ist anscheinend die primäre Frage, der sich dieser Film widmen möchte, doch wirklich klar wird das nie. Das BlackBerry war zunächst ein klobiger kleiner Tastaturklotz, wurde dank seiner Funktionen – dem praktischen Verschicken von verschlüsselten Mails, dem handlichen Telefonieren – zur Ursache und dem Symbol einer Kommunikationsrevolution und dann zu dem Ding, das alle hatten, bevor dieses iPhone erschienen ist. BlackBerry dramatisiert diese Momente, kann darüber hinaus aber wenig über seinen zentralen Gegenstand sagen. Dieser Vorwurf mag etwas überheblich klingen – nur weil ein Film eine oder mehrere spezifische Fragen stellt, ist er nicht dazu verpflichtet, sie klar zu beantworten – äußert sich hier jedoch in einer erzählerischen Ziellosigkeit in der zweiten Hälfte des Filmes. Er weiß nicht so wirklich, was er mit seinem aufgebauten Momentum anfangen soll, die Figuren streben voneinander weg und entfremden sich zunehmend. Nach der Präzision, mit der die Entstehung des womöglich ersten Smartphones erzählt wird, zerfasert der Film in repetitive Unheilsankündigungen.  

BlackBerry kreiert auf seinem Weg stattdessen nur wenige, aus der gleichförmigen Masse von Filmen dieser Art herausstechende Momente, die von einer Art Technologienostalgie durchsetzt sind: Einstellungen, die die Materialität alter Geräte hervorheben. Eine Kassette wird in ein Autoradio geschoben, dann in einen Walkman gepackt, um das Lied weiterzuhören. Dagegen baut das Blackberry bei aller Erreichbarkeit, die es ermöglicht, nur mehr Distanz auf. Mails können ignoriert, Textnachrichten unbeantwortet im digitalen Raum hängen gelassen werden. Diese Gegenüberstellung kann aus der Struktur des Filmes hergeleitet werden – es kommt zu immer weniger Dialogszenen zwischen einander gegenüberstehenden Menschen –, wird aber leider nie wirklich zu Ende gedacht. Es bleibt alles konventionelle Andeutung im Subtext. BlackBerry erzählt die Geschichte einer wichtigen Erfindung, ohne dabei selbst etwas Neues zu erfinden und wird dabei nur zu einer leicht besseren Version eines so schon überholten Durchschnittsmodels. 

Das befriedigende Betätigen von Knöpfen: BlackBerry wurde zu 93% positiv und zu 7% negativ bewertet. 

(Lektoriert von nir, hab und let.)

ist seit Mitte Februar 2023 Redaktionsmitglied. Studiert Literaturvermittlung in den Medien. Hat den Film "Babylon" acht Mal im Kino gesehen. 25 Jahre alt. Liebt schiefe Vergleiche.

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