Sneak Review #98 – Wind River
Produktionsfirmen, deren Logos in roter Schrift auf schwarzem Untergrund erscheinen, lassen gefühlsmäßig selten etwas Gutes erahnen. Genre Horrorfilm? Weit gefehlt, denn der Thriller „Wind River“ von Taylor Sheridan ist, was es ist: ein Thriller. Dass die Gegebenheiten im Film dennoch das Wort Horror im Sinne vom Englischen „horrific“ beinhalten, lässt sich dennoch nicht bestreiten.
Cory Lambert (Jeremy Renner), ein Spurenleser und Jäger im Auftrag des United States Fish and Wildlife Service, entdeckt bei der Jagd auf Berglöwen die Leiche einer jungen Frau. Recht schnell wird klar, dass es sich bei der Toten um Natalie Hanson handelt, eine Ureinwohnerin des ansässigen Indianerstammes. Todesursache: eine durch die Kälte geplatzte Lunge. Dass die junge Frau barfuß war, sechs Meilen fernab des nächsten besiedelten Gebietes, wirft allerdings Fragen auf. Die deutlich unterbesetzte Polizei erhält Verstärkung von der FBI-Agentin Jane Banner (Elizabeth Olsen), um die eine Frage zu klären: War es Mord? Das Schicksal von Natalie lässt Cory Lambert nicht unberührt, da dieser seine Tochter auf recht ähnliche Umstände verloren hat.
Weiße Hölle
Dass Taylor Sheridan bei diesem Film nicht auf Bildgewalt setzt, ist von Anfang an klar. Was wir sehen, ist Schnee. Viel Schnee und noch mehr Schnee. Ob das schlecht ist? Mitnichten! Die sehr klare und minimalistische Bildsprache will auch gar nicht pathetisch daherkommen, wie all die großspurigen Blockbuster, wo es ums große Geld geht. Muss sie auch nicht, denn es sind die Details, auf die es ankommt. Dementsprechend ist es auch die Handlung, die sich der Szenerie anpasst. Langsam und auf eine bedrückende Weise beruhigend und dennoch wird die Stille, wie ein unerwartet auftauchender Blizzard, immer wieder unterbrochen. Zuvor in Sicherheit gewogen, presst man sich in den Kinosessel. Und ganz plötzlich ist es wieder vorbei, jedoch ohne dabei die Spannung zu verlieren.
Ganz im Stile von „Hell or high Water“ , sind auch hier wieder Elemente des Western ersichtlich. Cowboys, Indianer, Waffen, alles dabei. Und statt Sand immer wieder diese trostlose Eiswüste. Man kann es nicht häufig genug erwähnen. Dieses Werk verlangt einem alles ab. Man sieht hin, wenn man es eigentlich nicht will. Die Geste, die Hände vor Entsetzen in Richtung Mund zu führen, lässt sich nicht vermeiden. Es passiert einfach. „Like to tell you it get’s easier but it doesn’t“, hört man Cory Lambert sagen. Verdammt, aber er hat recht! Man wird mitgeschliffen und kann sich nicht wehren, aber es ist, wie es ist. Doch wer sich darauf einlässt, wird von diesem Film definitiv nicht enttäuscht.
„That snow and silence is the only thing that hasn’t been taken from them.“
Viele werden sich schwertun, was sie sehen, zu mögen. Die Perspektivlosigkeit einer vernachlässigten und ungehörten Bevölkerungsgruppe gepaart mit der brutalen Gewalt der Natur und der des Alltags. Schwierig ein derart komplexes Thema in 107 Minuten auf den Punkt zu bringen. Nicht viel verrät, was die Ureinwohner von den Vereinigten Staaten halten. Eine umgedrehte Flagge der USA zum Beispiel oder der Absturz in die Drogensucht zwecks Perspektivmangel. Man hat sich viel vorgenommen. Die Ausarbeitung der Charaktere bleibt daher leider etwas auf der Strecke sowie auch die tiefer gehenden Lebensumstände der Ureinwohner. Rückblenden in Lamberts Vergangenheit hätten der Charakterentwicklung mit Sicherheit ebenfalls keinen Abbruch getan. Doch dies sind nur kleine Wermutstropfen eines durchaus sehr gelungenen Filmes mit hochkarätigem Schauspiel und passgenauem Soundtrack.
„Wind River“ erscheint am 8. Februar 2018 in den deutschen Kinos.
FOTO: Sundance Institute