Theater Review #1: Der eingebildete Kranke von Moliére

Theater Review #1: Der eingebildete Kranke von Moliére

Der eingebildete Kranke von Moliére feierte vergangen Samstag im Hessischen Landestheater Marburg Premiere. Unter der Regie von Marc Becker setzten die Schauspieler:innen Daniel Sempf, Franziska Knetsch, Insa Jebens, Jürgen Helmut Keuchel, Karlheinz Schmitt, Lene Dax und Stefan Piskorz  Moliéres Komödie laut, farbgewaltig und mit viel Zeitgeist in Szene.

Eine schwarze Bühne. Links und rechts am Bühnenrand zwei leuchtend rote, zu einem Kreuz übereinander befestigte Matratzen. Musik spielt – der eingebildete Kranke Argan fährt auf einem Elektromobil, dessen Korb mit hunderten Pillen gefüllt ist, auf die Bühne. Er fährt vor, zurück, winkt, grinst aufgeregt und steigt schließlich doch ab. Das allein hebt die Stimmung im Publikum und bereits die ersten Sätze – Argan liest genüsslich die Rechnung seines Apothekers vor – offenbaren einen derben Humor. Einläufe, Leberheiltränke und Unterleibswaschungen von innen stehen auf der von Dr. Purgon erdachten Tagesordnung. Geplagt von Blähungen ohne gleichen wird deutlich: Auf der Bühne befindet sich ein Hypochonder.

Falsche Kranke und echter Tod

Was sich anhört wie eine Szene aus einer Super-Detox-Kur-Einrichtung für Senior:innen, ist gar nicht so neu: 1673 schrieb Moliére die Komödie, um den französischen Hofadel zu amüsieren und gleichzeitig auf die Schippe zu nehmen. Die Premiere von „Le malade imaginaire“, wie der Originaltitel lautet, sollte für den Meister selbst die Letzte sein. Bereits in der vierten Vorstellung, bei der er selbst als Schauspieler mitwirkte, erlitt Moliére einen Blutsturz. Wenige Stunden später verstarb er, noch kostümiert.

Im Stück geht es um Folgendes: Argan, der eingebildete Kranke, möchte nicht ganz uneigennützig seine süße Tochter Angélique an den heißen Thommy verheiraten. Dieser ist Arzt und Arztsohn. Angelique findet ihn furchtbar, nicht zuletzt weil er – zur Belustigung der Zuschauer:innen – auswendig gelernte Phrasen vorträgt, um ihr Herz zu gewinnen. Toinette, Argans Hausmädchen, versucht Angélique, die zu allem Übel auch noch in den verrückten Cléante verliebt ist, zu helfen. Obwohl Argan mit der Unterstützung seiner hinterhältigen Ehefrau Béline – welche nur auf sein Ableben wartet, aber in köstlicher Hasi-Mausi-Schatzi-Manier nach seinem Mund redet – ihr nur Heirat oder Kloster in Aussicht stellt, weigert sich Angélique. Es scheint alles verloren, wäre da nicht Toinette: Sie nimmt die Zügel in die Hand: schließlich kennt sie ihren Hausherrn und verhindert gekonnt und mit viel Witz die Zwangsheirat. Sie schafft es sogar, Argan die Augen zu öffnen und zu erkennen, was seine Ehefrau wirklich von ihm hält.

Großer Spaß in Neonfarben

Die Inszenierung hält sich im Weitesten an die Originalfassung. Doch mit viel Humor, einer modernen Sprache sowie vom Ausdruck überladener Gestik, schaffen die Schauspieler:innen es, die jahrhundertealte Geschichte in das Hier und Jetzt zu versetzten. Sei es der hypochondrische Argan, der heiße Thommy, die kluge und gewitzte Toinette, die hinterhältige Béline, die von sich selbst eingenommene und doch entzückende Angélique, Béralde (Argans Bruder) oder die, vom selben Darsteller des heißen Thommy gespielte kleine Schwester Louison: Sie alle überdrehen die Charaktere bis aufs Maximum, was dem Publikum einen Lacher nach dem Anderen abgewinnen konnte.

Darüber hinaus tun auch die Maske und Kostüme von Sandra Münchow ihr Bestes: Die Schauspieler:innen leuchten grell, wunderschön und farbgewaltig in neonfarbenen Kostümen und Perücken. So schrill, dass man gar nicht wegschauen kann. So schön, dass man es auch gar nicht möchte. Das Publikum würdigte die Inszenierung mit einem verdienten, tosenden, minutenlangen Applaus. Nur eine Frau gab nach dem Stück wenig begeistert von sich: „Sehr karnevalistisch das ganze. Naja, der 11.11. steht ja auch vor der Tür.“ Der Großteil der Besucher:innen war allerdings prächtig amüsiert. Letztendlich soll es so ja auch sein: Eine Komödie, die damals wie heute begeistert und die Zuschauer:innen an den schrecklich schönen französischen Hof entführt.

Der eingebildet Kranke kann an folgenden Terminen im Theater Marburg angeschaut werden: 04.11., 17.11., 23.11., 25.11., 08.12., 14.12.. Weitere Informationen zu dem Stück gibt es hier.

FOTO: Killa Schuetze

Verantwortliche für Marketing und Akquise bei PHILIPP. Studiert Kunstgeschichte im Master. Hat ein Gründer:innenherz und liebt schöne Menschen, schöne Ideen und schönes Konfetti.

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