Was machen eigentlich … die bildenden Künstler*innen?

Was machen eigentlich … die bildenden Künstler*innen?

Schon mal damit geliebäugelt das Fach zu wechseln oder einfach mal in ‘ne Vorlesung zu setzen, damit man versteht, was der*die Mitbewohner*in da immer so faselt? In unserer Reihe “Was machen eigentlich …” geben Fachfremde Einblicke in die Studiengänge unserer Uni. Nun ist Anna, ihreszeichens Studentin der Kunstgeschichte aus der historisch-geprägten Umgebung heraus und in die Praxis-Atmoshpäre hinein gewechselt.

Es ist ein kalter sonniger Januarmorgen und ich befinde mich im Südviertel Marburgs, im Institut für Bildende Künste. Von außen betrachtet gehört die ehemalige Kaserne in jedem Fall zu den schöneren Universitätsgebäuden Marburgs. Von innen macht es einen eher neutralen Eindruck. Während ich sonst eher den theoretischen Teil von Kunst eingetrichtert bekomme, besuche ich heute den Zeichenkurs für Einsteiger: „Zeichnen nach der Natur“, geleitet von Doris Conrads, Dozentin im Institut und Künstlerin (kennt ihr die Sternenfängerin an der Theo? Die ist von Ihr!). Ich begebe mich in den Kursraum, suche mir einen Platz und sehe mich um. Die Dozentin ist noch nicht da, hat jedoch schon etwas vorbereitet: Dreizehn Paprikas und einige Riesennüsse, die ich nicht wirklich zuordnen kann, sind, irgendwie schon künstlerisch, auf ihrem Schreibtisch drapiert. Mit der Sonne, die durch das Fenster scheint und diesem farbenfrohen Bild in Gelb, Rot und Orange hebt sich gleich meine Laune.

Gelbe Stifte statt Kulis

Einige Kursteilnehmer unterhalten sich, Frau Conrads kommt herein und bittet um Ruhe. Sie streckt ihren Arm in die Höhe. In Ihrer Hand befindet sich ein Bündel gelber Buntstifte und  sagt: „Anstelle eines Kugelschreibers halte ich heute diese gelben Stifte hoch – In Verbundenheit zu den Opfern jüngster Ereignisse in Paris. Die Demonstranten sind mit Kugelschreibern auf die Straßen gegangen, ich habe heute gelbe Stifte dabei.“ Die Stifte legt sie auf den Tisch, dafür holt sie einen kleinen Notizblock aus der Tasche und liest ein Zitat, das sie in der Zeitung gelesen hat vor. „Eine Kalaschnikow kostet 250€, ein Kugelschreiber kostet nicht einmal 3€. Doch wie viel mehr lässt sich mit einem Kugelschreiber erzielen? Das ist nur, was ich dazu noch sagen wollte“ sagt sie und geht zum heutigen Thema über: „Wer eine Paprika zeichnen kann, kann alles zeichnen. Ich widme diese Stunde der Paprika und dem Oval.“ Frau Conrads hat diese Paprika, die sie im Bio-Markt aufgrund von Dellen und schwarzen Flecken geschenkt bekommen hat, für diejenigen mitgebracht, die heute einmal nicht wie sonst meist nur mit Bleistift, sondern auch in Bunt zeichnen möchten. Während die meisten sich nun einen gelben Stift oder eine Paprika, oder beides zum zeichnen holen, gibt es noch einen kleinen Rückblick über die vergangenen Sitzungen.

Wühlen im Schwarz

Eine Teilnehmerin des Kurses liest aus einem kleinen Heftchen vor. Was bei mir zwischen Insekten, Hölzern, Strukturen, Würmern und Schmetterlingen, die bisher schon gezeichnet wurden, hängen bleibt, ist ein Zitat von Dieter Brehms: „Zeichnung ist, Gekritzel und festes Zeichnen, wilde Geste und gesicherte Form. Wühlen im Schwarz und Tasten im Weiß, ist stochern im Nebel.“ Stimmt, denke ich und hole mir gerade deswegen den letzten gelben Stift. Eine Paprika habe ich nicht mehr erwischt, dafür male ich meine eigentlich für den Verzehr gedachte Banane. Frau Conrads sagt, das sei okay, denn eine Banane ist ja auch ein Oval. Ich erstelle eine Achse, oder versuche es zumindest auf auf ihren Rat hin und lege los. Eine Banane, das kann ja wohl nicht so schwer sein. Eher talentfrei zwinge ich meinen Bleistift dazu, etwas Ähnliches aufs Papier zu bringen und irgendwie gelingt es. Wenn auch mit viel Geduld und einem wohlwollenden Blick . Zunächst zeichne ich mit Bleistift. Auch um mich herum wird es geschäftig. Als ich mich umsehe, fällt es mir schwer zu glauben, dass dies ein Kurs für Anfänger ist,: Überall sehe ich Paprika in rot, orange und gelb, manche auch in schwarzweiß, die wirklich ziemlich gut aussehen. Ernüchtert über die Tatsache, dass ich das einfach nicht so gut kann (aber der Wille zählt!), koloriere ich meine Banane in Gelb und nach der Mittagspause entscheide ich mich – frei nach dem Motto: „Hast du ein Problem, ändere einfach die Umstände“, auch eine Paprika zu zeichnen.

bildende-kunst

Auch wenn sie etwas weiter weg liegt, knöpfe ich mir das gute Stück meiner Sitznachbarn vor und siehe da, mit der Paprika in Orange und mir funktioniert es besser. Die Zeit vergeht wie im Flug und plötzlich ist der Kurs auch schon vorbei. Zu einer gemeinsamen Besprechung werden alle Blätter zusammen auf einen Tisch gelegt und ich darf ein Foto davon machen. Es ist unglaublich, wie verschieden alle Teilnehmer*innen diesen einen Gegenstand dargestellt haben. „Ich habe nicht das Gefühl, dass die Paprika euch schwer gefallen ist, oder?“

Horst.

Die Paprikas sind alle sehr schön geworden. Gut, meine sieht irgendwie ziemlich platt und gar nicht so plastisch und paprikahaft wie alle anderen aus, aber was soll’s. War trotzdem schön. Die Teilnehmer*innen  unterhalten sich mit Frau Conrads darüber, was Ihnen leicht oder schwer gefallen ist und sie betrachtet die Zeichnungen, hört zu, gibt Ratschläge für die Hausaufgaben. Als alles gesagt ist, fällt Frau Conrads auf, dass sich ja doch ein Teilnehmer eine Nuss gezeichnet hat. Irgendwie wundert es mich nicht, dass auch diese Zeichnung nicht wirklich anfängerhaft aussieht. Das Gepräch klingt ab und Frau Conrads sagt „Übrigens, die schönste Walnuss überhaupt hat Horst Janssen gezeichnet.“ Dann buchstabiert sie: „J-A-N-S-S-E-N. HORST.“ Irgendwie müssen alle lachen. Ein schöner Abschluss für einen schönen Besuch. Allgemein sehr schön, dass die Bildende Kunst diese Einsteiger-Kurse anbietet. So kann jede*r Student*in sich zwischen Seminaren, Vorlesungen und Prüfungsphasen auch einmal mit der eigenen Kreativität auseinandersetzen und sich das sogar anrechnen lassen (Hallo Exportmodul!). Die grauen Zellen mit ein bisschen Farbe füllen. Kunst machen. Von diesem Tag nehme ich auf jeden Fall die Lust auf bunt, sowie eine gezeichnete Banane, eine Paprika und ein wenig Stolz auf die eigene Zeichnung mit. Ich empfehle jedem der gerne ab und zu mal kritzelt, sich selbst einmal so einen Kurs anzuschauen.

DU WILLST AUCH KUNST MACHEN?Die Basiskurse der Bildenden Kunst werden als Exportmodule angeboten, jede*r eingeschriebene Student*in (Studierende) hat die Möglichkeit, sich hier zu bewerben und vielleicht bald schon selbst in „Zeichnen konstruktiv“, „Zeichnen nach der Natur“, „Aquarellmalerei“ oder (und) anderen Kursen kreativ tätig zu werden. Außerdem ist die Bildende Kunst ein sehr aktives Institut mit vielerlei Projekten und Ausstellungen. Nähere Infos zum Master- Studiengang „Bildende Kunst – Künstlerische Konzeptionen“ und allen Aktionen findest du hier und hier.

FOTOS: Anna Kochanow

Verantwortliche für Marketing und Akquise bei PHILIPP. Studiert Kunstgeschichte im Master. Hat ein Gründer:innenherz und liebt schöne Menschen, schöne Ideen und schönes Konfetti.

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