Von Paraden und Palmwedeln

Von Paraden und Palmwedeln


Keine Spur von einem Osterei – in Jerusalem feiern die Christen auf ganz traditionelle Weise das Auferstehungsfest. Die heilige Stadt verwandelt sich für die Zeit in ein heiter buntes Osterkleid.

Jerusalem, Ostersonntag. Bewohner, Touristen, Pilger und Gläubige stellen das Herzstück der Stadt, die Altstadt, auf die Probe. Vier Religionen leben hier nah beieinander: das Christentum, das Judentum, der Islam und das Armenische Christentum. Gleich zwei Größere davon feiern eine der wichtigsten Feste im Religionskalender. Während für die Juden eine Woche lang das Pessach ansteht, an dem sie an die Sklavenbefreiung der Juden in Ägypten gedenken, zelebrieren die Christen Ostern und das hier bereits intensiv seit dem Palmsonntag. Menschenmassen schwirren in den engen Gassen umher und versuchen sich vorbei an den bunten Basaren und an den orientalisch riechenden Imbissen durch zu schlingen, eingekesselt in den bis zu 2700 Jahre alten Mauern der Altstadt.  Die Anspannung zwischen den Religionen ist groß. Des Öfteren kommt es zu Überfällen zwischen den verschieden Gläubigen, wie zuletzt im November. Dabei stürmten palästinensische Araber eine Jerusalemer Synagoge und töteten vier Rhabbis mit einer Axt und anderen Waffen. Nichtsdestotrotz ist das Leben hier generell relativ friedlich und sicher und die Besucher*innen vernehmen beim Betreten der Stadt die einmalige Atmosphäre mit ihrem aufbrausenden Charakter.

Palmwedler wehen den Stimmungswind

So auch am Ostersonntag in der Grabeskirche. Viele Gläubige aus der ganzen Welt begeben sich zum Ursprungsort der Ostergeschichte zurück: Die Kreuzigung und Beerdigung von Jesus spielte sich zwischen diesen heiligen Fassaden ab. Eine Glasvitrine offenbart die Felsen, auf dem einst römische Soldaten Jesus gekreuzigt haben sollen. Im Eingang befindet sich ein Marmorbett, auf dem er angeblich eingesalbt wurde. Besuchende knien sich nieder und küssen den kalten Stein. Im hinteren Flügel ist das Grab Jesus. Bei der Auferstehung fand man es leer auf. Vor dem wertvollen, so heiligen Platz wartet meist eine lange Schlange auf die Sichtung. Man kann die Emotionen, die sie mit dem Fest verbinden, deutlich auf den Gesichtern der Besuchenden ablesen. Manche sind gefasst von der Spiritualität, andere schweben in Melancholie oder aber teilen ihr Glück in Liedern mit.

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Für viele Gläubige ist es ein einmaliges Erlebnis an dem Osterspektakel in der Jerusalemer Altstadt teil zu haben, bei dem sie auch mal eine lange Reise, wie aus Russland oder Südafrika auf sich nehmen. In diesen Tagen fallen sie in der Stadt besonders durch den Palmwedel auf. In der Ostergeschichte begrüßten nämlich Bewohnendende von Jerusalem in heiterer Stimmung Jesus mit Palmzweigen. Sie empfingen ihn an dem Sonntag vor der Kreuzigung. Ziemlich gut imitieren die Feiernden das jubelnde Gefühl – durch ihr Klatschen und Singen stecken sie mit ihrer Freude an und lassen die Hektik in den Gassen für einen Augenblick vergessen.

Hoffnungsvolle Worte des Bischofs

Neben dem manchmal schwierigen Verhältnis zwischen den Religionen lässt sich auch in der Grabeskirche eine angespannte Situation feststellen. Zum einen heizen Menschenströme die Stimmung in dem heiligen Gebäude an. Zum anderen sind gleichzeitig sechs Ausrichtungen des Christentums unter einem Dach vereint. Jede Kirche hat ihren eigenen Altar. So befindet sich zum Beispiel die Römisch-Katholische Kirche im Erdgeschoss, während die Äthiopisch-Orthodoxe ihren Bereich im Dach hat. Kein Wunder, dass der/die Besucher*in regelrecht in einen Kanon von verschiedenen, gleichzeitig ablaufenden Gottesdiensten geworfen wird. Manchmal kreuzen sich sogar die Zeremonien, wobei die Prediger sich dann auch mal böse Blicke zuwerfen. Die Römisch-Katholische Zeremonie zählt zu einer der Höhepunkte. Darin hielt der lateinische Patriarch Fuad Twal, der höchste Bischof von Jerusalem, eine Ansprache. Er kritisierte die Lage des Nahen Ostens. Das Christentum sei von Kriegen und Gewalt gefährdet. Er postulierte dafür, Zeichen der Hoffnung zu setzen.

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Auch außerhalb der Grabeskirche stieß man auf traditionelle Gepflogenheiten zum Osterfest, wie zum Beispiel die Parade der Franziskanischen Mönche. Sie folgten arabischen Pfadfinder und Pfadfinderinnen in grauen Uniformen, spielten Musik von ihren Trommeln und aus ihren Blasinstrumenten und werden zu den nächsten Schaufiguren auf den Fotoapparaten der Tourist*innen. Schließlich ist es ganz gleich, in welche Gasse man im christlichen Teil der Altstadt mündet. Überall trifft man auf religiöse Bräuche. Die Ostertage zu der herrlichen Frühlingszeit sind ein einzig wahres Abenteuer, das einem noch lange in Erinnerung bleibt. Am Ende des Tages wartet dann sehnsüchtig das Bett in der Unterkunft nach dem anstrengenden, aber erlebnisreichen Tag.

FOTOS: Jule Seibel

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