7 Oscars für „Black Panther“ – Meilenstein oder Blamage?
Am 24. Februar 2019 findet die 91. Verleihung des Academy Awards statt – auch bekannt als Oscar. Ausgezeichnet werden die besten Filme des vergangenen Jahres. Am 22. Januar wurde die Liste der Filme bekannt gegeben, die Chancen auf das begehrte Goldmännlein haben. Für einiges Erstaunen und hitzige Debatten sorgten die zahlreichen Nominierungen des Marvel-Superheldenfilms „Black Panther“ von Regisseur Ryan Coogler. Unter anderem auch für die Kategorie „Bester Film“.
Die Fans bejubeln die Entscheidung der Jury. Die Kritiker:innen hingegen sind sich uneinig. Manche sehen die Nominierung als Fortschritt und sprechen sogar von einem wichtigen Meilenstein in der Geschichte der Oscars. Andere bezeichnen die Entscheidung als Blamage, als Witz, der den Oscars als Auszeichnung für Filmkunst die Glaubwürdigkeit nimmt. PHILIPP versucht für euch, beide Standpunkte zu beleuchten.
Meilenstein…
Die grundlegende Frage ist: Was soll der Oscar auszeichnen? Nun, ja, einfach die besten Filme! Aber welche sind das? Die, die an den Kinokassen am meisten Geld eingespielt haben? Die, die den Zuschauer:innen besonders gut gefallen haben? Die, die renommierte Filmkritiker:innen für die besten halten?
Noch nie war der Oscar eine Auszeichnung der reinen Filmkunst. Gegründet wurde die Veranstaltung als Werbeaktion der großen Filmstudios, aus Angst vor sinkenden Besucherzahlen. Seit jeher ist der Oscar in Amerika ein publikumswirksames Großevent, in dem sich die Filmindustrie – sarkastisch formuliert – selbst auf die Schulter klopft. Und auch waren die Oscars immer eine gesellschaftliche Veranstaltung und damit eine latent politische Angelegenheit. Die Wahl der nominierten Filme erfolgt durch die Mitglieder:innen der Academy, also aktiv Filmschaffende. Und das sind über 9000. Die Nominierung von „Black Panther“ ist also keine „Fehlentscheidung“ einzelner, sie spiegelt einen Teil der öffentlichen Meinung und das Mehrheitsdenken vieler Filmschaffender wieder.
„Black Panther“ ist der erste High-Budget-Blockbuster mit (nahezu) komplett afroamerikanischer Besetzung. Aus deutscher und europäischer Perspektive lässt sich der emotionale Bezug, den viele Menschen zu diesem Film haben, oft nicht nachvollziehen. Doch in den USA, wo Rassismus und Polizeigewalt noch immer große Probleme darstellen, können sich viele Afroamerikaner:innen mit den Figuren und den im Film verhandelten Themen identifizieren. Und genau deshalb fühlt sich „Black Panther“ für viele Menschen wie ein Befreiungsschlag, wie besagter Meilenstein an.
Die Oscars greifen gesellschaftliche Debatten auf und bieten ihnen eine Bühne. „Black Panther“ greift ein wichtiges gesellschaftliches Gefühl auf und verdient es deshalb ins Gespräch gebracht zu werden. Zum Beispiel durch diese Nominierung. Würde die Oscar-Academy den Blick für gesellschaftlich relevante Filme verlieren und nur noch Kunstfilme oder verkopfte Arthouse-Dramen prämieren, schüfe sie sich damit selbst ab. Vielleicht ist „Black Panther“ nicht der „beste“ Film, aber für viele Menschen ist es ein verdammt wichtiger und mutiger Film und das darf in Form einer Trophäe gewürdigt werden.
… oder Blamage?
„Die Oscars verlieren damit ihren Wert, denn die Filmschaffenden die ihr Handwerk noch ernst nehmen, bleiben außen vor“, schreibt Alexander Friedrich von Moviepilot. Man muss es nicht so giftig formulieren. Aber neben Filmen wie dem bildgewaltigen und hochästhetischem „Roma“ von Alfonso Cuarón (Kann auf Netflix angeschaut werden, unbedingte Empfehlung!) wirkt „Black Panther“ einfach fehl am Platz.
Außer der schwarzen Besetzung und dem Handlungsort, dem fiktiven afrikanischen Staat Wakanda, unterscheidet „Black Panther“ nicht viel von anderen Superheldenfilmen. Den:die Zuschauer:in erwarten keine Überraschungen, sondern nur Altbekanntes: Eine formelhafte, vorhersehbare Geschichte und schnelle bunte Action mit viel CGI, also computergenerierten Spezialeffekten. Sollte eine solche Mittelmäßigkeit wirklich ausgezeichnet werden?
Zudem kann der Film, in dem eine rigorose „Wakanda-First-Politik“ inklusive Monarchie propagiert wird, auf sehr konservative Weise gelesen werden und wird gerade deshalb nicht nur von Schwarzen, sondern auch von Nationalisten und der „neuen Rechten“ gefeiert. Also doch kein so progressiver Film?
Ist die Nominierung von „Black Panther“ nicht vielmehr eine späte Entschuldigung der Academy dafür, zu lange Zeit schwarze Filmemacher:innen und Schauspieler:innen übergangen zu haben? Denn im Rahmen der Oscarverleihung von 2016 machte der #OscarsSoWhite die Runde. Viele afroamerikanische Schauspieler:innen kündigten an, die Veranstaltung zu boykottieren, da kaum Filme von oder mit Farbigen nominiert waren. Im darauffolgenden Jahr gewann – kaum überraschend – der Film eines afroamerikanischen Regisseurs über einen afroamerikanischen Homosexuellen den Oscar für den besten Film. Spricht aus der Nominierung von „Black Panther“ lediglich die Angst der Academy als alte, weiße Herrenveranstaltung wahrgenommen zu werden?
Ja, was denn nun?
Sich über die Fehlentscheidung der Oscar-Community zu monieren, ist fast schon Volkssport. Dabei verkennt man leicht, dass die Oscars sich in einem schwierigen Spannungsfeld befinden. Einerseits populäre, gesellschaftlich-relevante Veranstaltung zu sein, und andererseits große Filmkunst zu prämieren.
Abgesehen davon, dass „Black Panthers“ Oscar-Nominierungen in den technischen Sparten vermutlich ihre Berechtigung haben – welche:r durchschnittliche Zuschauer:in kann schon beurteilen, welcher Film den besten Tonschnitt hat? – hat die Academy es zumindest geschafft, für Gesprächsstoff zu sorgen. Wenn der Aufruhr um „Black Panther“ dazu führt, dass der wichtigen Thematik der gesellschaftlichen Spaltung in den USA mehr Aufmerksamkeit zukommt, dann ist das eine gute Sache.
Hat „Black Panther“ nun den Oscar als bester Film verdient?
Nein. Abgesehen davon, dass eine Auszeichnung mehr als unwahrscheinlich ist, fehlen dem Film dafür schlicht die filmischen Qualitäten. „Black Panther“ ins Gespräch zu bringen, ist eine Sache. Ihn als besten Film auszuzeichnen, wäre hingegen vermessen, denn das nähme den Oscars die Glaubwürdigkeit und wäre anderen Anwärtern gegenüber unfair.
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