Mal über den Tellerrand hören
Die Hochkonjunktur der Podcasts und Hörbücher beginnt.
„Winter is coming“ und so wird auch die Verlockung größer, Zuhause bei einem Tee oder vier zu hocken und/oder die Kopfhörer draußen aufzusetzen, nur damit sie die Ohren wärmen. Perfekte Gelegenheiten, um einfach mal zuzuhören. Ob zum Einschlafen, nebenbei Aufräumen, zum Kochen oder anderes. Mittlerweile gibt es Podcasts für nahezu jeden Anlass und jedes Thema. Damit ihr euch nicht durch das Dickicht an Podcasts kämpfen müsst, um ein paar Schätze zu finden, gibt unsere Redaktion ihre Podcast-Underdogs zum Besten.
„5 Minuten Harry Podcast“
von Coldmirror bzw. Kathrin Fricke und unterstützt von FUNK
Ein Muss für alle Harry Potter und Coldmirror Fans. Das deutsche Youtube-Urgestein bietet einen etwas anderen Podcast. Sie nimmt 5 Minuten aus dem ersten Harry Potter Film und analysiert diese auf eigentlich Alles und macht sich mit ihrem eigenwilligen Humor darüber lustig. Anders als bei anderen Podcasts spricht hier allerdings nur eine Person, so dass Zuhörer, die von Kathrins Stimme nicht sonderlich angetan sind vor ein Problem gestellt werden. Coldmirror ist zwar vor allem durch ihren Humor berühmt geworden, überrascht allerdings in diesem Podcast mit der Tiefe und ihrer Transparenz der eigenen Recherche zu Film- und Produktionsinformationen. Zum Schluss sei noch davor gewarnt diesen Podcast beim Schlafen zu Hören. Es sei denn man kann lachen und gleichzeitig einschlafen.
Länge: zwischen ca. 20 und 60 Minuten in 14 Folgen
Wo? Auf ihrem Youtube Kanal sowie Spotify
(Sebastian Ridder)
„Aufwachen Podcast“
von Tilo Jung und Stefan Schulz
Hier wird es politisch. Das „Aufwachen“ ist an den:die Zuhörer:in und darüber hinaus gerichtet. Die beiden oben genannten Journalisten reden über und bewerten hier die Berichterstattung der öffentlich rechtlichen Medien. Die Perspektiven der beiden sind klar im linken politischen Spektrum einzuordnen. Dabei sind sie mal sehr kritisch, aber auch manchmal oberflächlich und/oder witzig/sarkastisch. Manchmal erweitern Gastauftritte die Sendung, aber auch Audiokommentare gegen Ende der Folgen ermöglichen weitere Perspektiven und Meinungen. Die Länge mag zwar abschrecken, jedoch sind die Themen mit Zeitangaben so angegeben, dass ohne Probleme Passagen übersprungen werden können. Wer sich auf das spezielle Format einlässt, bekommt einen interessanten Blick von außerhalb der Medien auf und über die deutsche Berichterstattung hinaus.
Länge: zwischen ca. 3 und 6 Stunden in 414 Folgen
Wo? Auf dem Youtube-Kanal, der eigenen Website und Spotify
(Sebastian Ridder)
„Shots – Der kritische Film-Podcast“
von detektor.fm mit Christian Eichler und Gäst:innen
Podcast-Host Christian Eichler spricht mit Gäst:innen und Expert:innen über Filme als Ausdruck gesellschaftlicher Phänomene. Dabei beschränkt man sich jedoch auf einen ganz konkreten Film oder ein bestimmtes cineastisches Thema pro Folge, z. B. den neuen politischen Horrorfilm am Beispiel von Jordan Peeles „Wir“, Disneys Filmübermacht oder die gesellschaftlichen Implikationen des neuen „Joker“. Durch diesen Fokus kann man großen Themen ausführlich begegnen und Filme tiefgreifend behandeln. Durch die Experteninterviews bekommt der:die Zuhörer:in interessante Infos an die Hand, mit denen ein besseres Verständnis geschaffen wird. Auch wenn gelegentlich Pierre Bourdieu zitiert wird, ist „Shots“ auch ohne Soziologiestudium zugänglich und gerade dadurch erfrischend, dass unter den Gästen nicht immer Konsens herrscht, sondern wirklich über die Filme und ihre Bedeutung gestritten werden darf. So sieht echter Diskurs aus! Eine Empfehlung für jeden Filmfan, der:die gerne tiefer in die Materie eintauchen möchte.
Länge: ca. 30 bis 60 Minuten in 55 Folgen
Wo? Auf Spotify und der Webseite
(Christoph Bednarz)
„Die Schaulustigen“
von ZEIT ONLINE mit Sophie Passmann und Matthias Kalle
ZEIT ONLINE Podcasts lassen sich wohl in fast jedem Spotify Account (oder Konten anderer Anbieter) finden: ZEIT Verbrechen, Was Jetzt? und Alles gesagt? kicken ganz oben bei den Podcast-Charts mit. Aber nur manche dürften den noch recht jungen Podcast „Die Schaulustigen“ kennen. Sophie Passmann (als Mitglied beim NEO Magazin und Autorin wohl einigen eher bekannt) und Matthias Kalle (Chefredakteur des ZEIT Magazins) unterhalten sich jeden zweiten Freitag über alles, was die deutsche und englischsprachige Fernsehlandschaft so zu bieten hat. Dabei feiern sie Serien wie Fleabag oder When They See Us, legen Brooklyn 99 Kevin Kühnert als Badewannenunterhaltung ans Herz und diskutieren, ob Rocky ein Superheld ist. Fürs lineare Fernsehen werden neue Ideen für Talkshows gesammelt, die Sakkolänge deutscher Moderatoren kritisch bewertet oder der beste Cast für die sichere Verfilmung des Relotius-Stoffes festgelegt. Eine Stunde Unterhaltung, nach der fünf neue Serien, Filme oder Fernsehformate auf der Merkliste stehen.
Länge: ca. 50 – 60 Minuten
Wo? Auf Zeit Online, Spotify und Apple Podcasts
(Marie Schürmann)
„The Open Ears Project“
von WQXR & WNYC Studios
Noch bevor bei mir am Morgen der obligatorische Nachrichtenpodcast angemacht wird, kommt „The Open Ears Project“ auf die Ohren. Personen des öffentlichen Lebens (z.B. Jesse Eisenberg oder Alec Baldwin) erinnern sich an ein klassisches Stück, das sie in ihrem Leben am meisten geprägt hat. Wie ein akustischer Liebesbrief gestaltet, erzählen sie von den Emotionen, die die Komposition in ihnen ausgelöst hat und von den Geschichten, die damit zusammenhängen. Nach den Anekdoten wird eben jenes Stück nochmals in Gänze gespielt – perfekt als erster Einstieg in den Tag, wenn man gerade erst aus seinem Delirium erwacht.
Länge: ca. 5 – 20 Minuten (die meisten sind unter 10min lang)
Wo? Auf wnycstudios.org, Spotify und Apple Podcast
(Marie Schürmann)
„Wohlstand für Alle“
von Wolfgang M. Schmitt und Ole Nymoen
Wer Wohlstand will, braucht Geld. Christian Lindner und das Silicon Valley werden hier allerdings nicht zu Halbgöttern erhoben. Hier werden kapitalistische Konzepte und Themen besprochen und kritisch hinterfragt, indem Inhalte aus Uni-Vorlesungen in einem Gespräch gezielt mit Medieninhalten verbunden werden. Mal ist es mehr von dem einen, mal anders herum. Zum Abrunden kommt noch eine kleine Prise Ironie und Witz und eine Hand voll Gel für die Frisur von W. M. Schmitt. Dazu muss gesagt werden, dass aufgrund der normativen Perspektive die Beiden etwas, was manche als Positiv hervorheben, eher als geringeres Übel gegenüber noch schlechteren Konzepten ansehen. Es geht weniger darum viele Meinungen abzudecken, als viel mehr die Perspektive der Beiden möglichst verständlich darzustellen. Sie wollen den Finger in die Wunde zu legen, auch wenn es sich über andere Blickwinkel viel relativieren lässt.
Länge: ca. 15 bis 30 Minuten in 18 Folgen
Wo? Auf ihrem Youtube-Kanal, Spotify, Apple Podcast und ihrer Website
(Sebastian Ridder)
Foto: @Rene Asmussen
studiert Politikwissenschaften, verbringt zu viel Zeit um sich über die BILD aufzuregen und isst süßes und salziges Popcorn gemischt.