Sneak-Review #218: Die Küchenbrigade
Die Küche ist die Fluchtroute vor der Abschiebung in Louis-Julien Petits neuen Film Die Küchenbrigade. Trotz gut gemeinter Message und interessanten Momentaufnahmen, versalzt sich der Film gerade beim Süßholzraspeln und dem white Saviorism.
Von Gordon Ramsay ins Flüchtlingsheim
Cathy Marie (Audrey Lamy) ist eine stolze Köchin. Zu recht, denn sie beherrscht ihr Handwerk ausgezeichnet. Ihr stolz kommt ihr jedoch in die Quere, als sie sich weigert für eine Kochshow eines ihrer Gerichte abzuändern um es anstelle für den Gaumen für die Kameras attraktiver zu machen. Im Streit verlässt sie die Show und ihre Küchenchefin. Eigentlich träumt sie davon ein eigenes Restaurant als Küchenchefin zu führen, jedoch muss sie nun kurzfristig überhaupt eine Anstellung finden. Über eine aufgehübschte Anzeige gerät sie an Lorenzo (François Cluzet), der eine Flüchtlingsunterkunft für Jugendliche leitet. Ihre Ansprüche als Köchin halten sie zunächst von einer Zusage als dortige Küchenchefin ab. Aus Not und mit Zureden ihrer Freundin Fatou (Fatou Guinea) kann sie ihren Stolz vorerst beiseite legen.
Zwar ist Cathy endlich Küchenchefin, jedoch ohne Team und vor Ort erwartet sie ein kulinarisches Grauen – Dosenravioli. Die Betreuerin Sabine (Chantal Neuwirth) organisiert zu ihrer Unterstützung freiwillige Helfer unter den Jugendlichen. Deren Tage dort bestehen aus Fußballspielen, Lernen, frustrierende Absagen von Ausbildungsstellen und der Angst, mit 18 endgültig abgeschoben zu werden. Umso interessierter sind viele etwas Praktisches von Cathy zu Lernen. Dabei stößt die im Heim aufgewachsene Cathy an ihre Grenzen. Djibril (Mamadou Koita) verlässt ihr Küchenteam, da sie in den Jugendlichen ungeduldig mit Strenge begegnet. Da Lorenzo befürchtet das aufgebaute Vertrauen zu den jungen Menschen zu verlieren stellt er Cathy zur Rede. Die stolze Cathy sieht langsam ein, dass sie ihr Team nicht nur als Lehrlinge ansehen sollte und lernt sie besser kennen. Dabei rückt ihr Traum vom eigenen Restaurant immer mehr in den Hintergrund, doch das kann nicht jeden ihrer Schützlinge vor der Abschiebung retten.
Ich bin kein Rassist, aber…
Der Film möchte wohl zeigen, dass Jugendliche im Flüchtlingsheimen leiden, einen Anspruch haben sollten in europäischen Ländern zu bleiben und dass wir nicht genug tun. Das gelingt aber kaum. Gerade Cathy ist sich ihres eigenen Rassissmus nicht bewusst. Sie schwingt zu Beginn des Kennenlernens ihrer Küchenhelfer eine große Rede, dass Seximus und Rassissmus nicht in ihrer Küche gedulded werden. Die weiße europäische Köchin diktiert den jugendlichen POC Flüchtlingen, was Rassissmus ist und was nicht. Lorenzo muss ihr erst erklären, dass ein sensiblerer Umgang nötig ist, da die Jugendlichen Traumata oder andere schlechte Erfahrungen auf ihrem Weg ins Flüchtlingsheim erfahren haben könnten. Davon auszugehen, dass bei Sprachbarrieren, anderer Kultur, Erziehung und Flucht einem Menschen begegnet werden kann, wie einem weißen priviligierterem Europäer ist der hässliche Alltagsrassissmus. Der Film verfällt dabei zur Geschichte von Cathy, die die Heldin (engl. ≈ Savior) ist, mit der Chance die machtlosen Jugendlichen zu retten.
Die wichtigeren Personen geraten dabei in den Hintergrund. Cathy möchte Fußballscouts erklären, dass Djibril Anlagen eines Profisportlers hat. Was bei den Fähigkeiten in der Küche angemessen ist, verkommt hier zu kitschiger Loyalität. Eine Chance verpasst der Film, weil Cathy, Sabine und Lorenzo als kleines Team nichts aufgeben müssen für die Mehrarbeit, die die Jugendlichen benötigen. Denn Cathy hat anscheinend absolut kein Privatleben und auch keine Eigeninteressen mehr, sobald sie Zugang zu den Jugendlichen findet. Eine moralische Zwickmühle wird hier einfach ignoriert – eine verpasste Chance. Der Anspruch des Films wirkt wie eine Werbung, für ein Modelprojekt um Flüchtlinge über Arbeit vor der Abschiebung zu bewahren. Was weniger fragwürdig wäre, wenn es das geben würde.
Where is the lamb sauce?
Die Handlung ist Cathy folgend sehr vorhersehbar. Lediglich den Love–interest hat man überraschender Weise ausgelassen um den Dates im Saal eine Ladung Diabetes zu ersparen. Dennoch gibt es auch kurze Momentaufnahmen, die viel mehr Aufmerksamkeit verdient hätten. So zum Beispiel, wenn die Jugendlichen geröntgt werden um deren Alter anhand der Knochenstruktur zu bestimmen. Eine bizarre Szene in kühlen graublauen Farbtönen, die den technischen Aufwand zeigt um zu ermitteln wie viele Tage ein Mensch übrig hat um eine Aufenthaltsgenehmigung über einen Arbeitsvertrag zu bekommen. Darüber hinaus stellen die Jungs Gerichte aus ihrer Heimat in einer Szene vor. Empowert durch Cathys Knowhow verkommen sie so nicht vollkommen zu leeren zukünftigen Arbeitnehmern für die französische Gastronomie.
Die Küchenbrigade hat im Saal ein zwei Lacher gehabt, da Sabine eine unbeholfene Verehrerin der Kochshow ist, in der Cathy zuvor auftrat. Die Collagen und die Teamenergie, die in der Küche gezeigt werden sind ansteckend und lassen die Gedanken zur eigenen nächsten Mahlzeit abschweifen. Einige Zuschauer*Innen brachte der Film allerdings zum Gehen vor Filmende. Der Rest ist eventuell geblieben, da Wetten auf das vorhersehbare Ende abgeschlossen wurden. Der Kitsch schließt den gut gemeinten Film ab und gibt neben Appetit auch einen unangenehmen Nachgeschmack auf den Heimweg.
Foto: Pfiffl Medien
studiert Politikwissenschaften, verbringt zu viel Zeit um sich über die BILD aufzuregen und isst süßes und salziges Popcorn gemischt.