Tarifverhandlung studentischer Hilfskräfte in Hessen: Der aktuelle Stand 

Tarifverhandlung studentischer Hilfskräfte in Hessen: Der aktuelle Stand 

Foto: Anne Gippert

Seit dem 14.02.2024 laufen die Tarifverhandlungen für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst des Landes Hessen. Die AStA-Hilfskraftinitiative/TV-Stud Marburg nutzt die Gelegenheit und lädt zum Arbeitskampf. Sie fordern, die Aufnahme studentischer und wissenschaftlicher Hilfskräfte in den Tarifvertrag (TV-H), sowie Repräsentation der Studentischen Hilfskräfte (SHKs) und Wissenschaftlichen Hilfskräfte (WHKs) im Personalrat der Universität. Welche Vorteile die Aufnahme in den TV-H bietet und weshalb es schwierig sein kann, als SHK die eigenen Arbeitsrechte einzufordern, hat PHILIPP für euch zusammengefasst.

Für die lokalen studentischen Initiativen begannen die Tarifverhandlungen mit einem Bündnistreffen am 05.02.2024. Es sollten Protestaktionen vorbereitet und streikbereite SHKs organisiert werden. Des Weiteren stellte sich der TV-Stud Marburg vor. Die studentische Initiative ist ein lokaler Ableger einer bundesweiten Bewegung, welche sich für die Arbeitsbedingungen studentischer Beschäftigter im öffentlichen Dienst einsetzt. Ihre Ziele sind zum einen der Schutz und die Sicherung bestehender Arbeitsrechte, zum anderen die Tarifierung der SHK-Verträge. Für die Umsetzung dieser Ziele arbeitet TV-Stud eng mit den Gewerkschaften ver.di und GEW zusammen. 

SHK-Verträge – problematisch auf zwei Ebenen

TV-Stud spricht in seiner Zielsetzung zwei grundlegende Bedenken bezüglich der SHK-Verträge an. Die Verträge belaufen sich meist auf das gesetzlich festgeschriebene Minimum an Arbeitsrechten. Ferner wird dieses Minimum in der Realität oft nicht umgesetzt. Studentische Hilfskräfte sind größtenteils als Minijober*innen oder Werkstudierende angestellt. Sie erhalten somit unter anderem das Recht auf sechs Wochen Entgeldfortzahlung im Krankheitsfall, 20 Tage bezahlten Erholungsurlaub bei einer 5-Tage-Woche und einen schriftlichen Arbeitsvertrag. Aktuell erhalten SHKs ohne Abschluss in Hessen ein Stundenentgeld von 12,41€. Das Gehalt beläuft sich folglich auf den Mindestlohn. 

Die Einhaltung der vertraglichen Richtlinien wird zweifach erschwert. Zunächst werden die Arbeitsrechte den SHKs oft schwammig und in einigen Fällen auch fehlerhaft kommuniziert. Des Weiteren bieten die vertraglichen Bedingungen für SHKs kaum Rückendeckung beim Einfordern ihrer Rechte. So reagieren laut ver.di viele SHKs nahezu überrascht, wenn sie erfahren, dass Urlaubs- und Krankheitstage nicht nachgearbeitet werden müssen. Gestützt wird diese Aussage durch die Studie Jung, akademisch, prekär. Diese führten die Gewerkschaften gemeinsam mit den TV-Stud Initiativen und dem Institut für Arbeit und Wirtschaft der Universität Bremen durch. Aus der Befragung ging hervor, dass knapp 40 % der SHKs ihren Urlaubsanspruch nicht wahrnehmen. 21,8 % gaben an, ihre Krankheitstage immer nachzuarbeiten. Weitere 30,9 % arbeiten ihre Krankheitstage manchmal bzw. häufig nach. Die Vertragslaufzeiten betragen durchschnittlich 5,7 Monate, werden jedoch regelmäßig verlängert und das mehrfach. 

Doch auch wenn SHKs über ihre Arbeitsrechte Bescheid wissen, kann es schwer für sie sein, diese einzufordern. Ein befristeter Arbeitsvertrag bereitet die Sorge, dass dieser im Falle eines Konflikts nicht verlängert wird. Ferner überträgt sich das Machtverhältnis auf der Arbeit meist auch auf das Studium. Wer bei seinen Professor*innen angestellt ist, hat oft die Befürchtung, dass sich Arbeitskonflikte negativ auf das eigene Studium auswirken könnten. 

Bezüglich der von TV-Stud und den Gewerkschaften geäußerten Bedenken zu den SHK-Verträgen verwies die Pressestelle des Präsidiums der Philipps-Universität, auf Nachfrage von PHILIPP, auf die jeweiligen Beratungs- und Anti-Diskriminierungsstellen. Diese sollen im Falle einer Vertragsverletzung den SHKs Hilfe leisten. Zusätzlich versuche man über den öffentlich zugänglichen Leitfaden für Hilfskräfte, diese über ihre Arbeitsrechte aufzuklären. 

Tarifierung als Problemlösung?

Die Gewerkschaften fordern, dass studierende Beschäftige als Arbeitnehmer*innen im öffentlichen Dienst ebenfalls in den TV-H fallen sollten. So könne die Einhaltung der Rechte studierender Beschäftigter über einheitliche Tarifverträge und die Rückendeckung der Gewerkschaften besser gewährleistet werden. Ferner beinhalten Tarifverträge meist bessere Arbeitsbedingungen für Beschäftigte. Berlin hat als einziges Bundesland in Deutschland einen Tarifvertrag für SHKs. Die erste Fassung wurde bereits in den 1970ern verabschiedet. 2018 wurde eine dritte Fassung aufgesetzt. Berliner SHKs stehen bei einer 5-Tage-Woche 30 Urlaubstage im Jahr zu, sie haben Anrecht auf zehn Wochen Entgeldfortzahlung im Krankheitsfall und eine Mindestvertragslaufzeit von 24 Monaten.

Durch die Verabschiedung der dritten Fassung des Berliner Tarifvertrags für SHKs erfuhr die Initiative TV-Studbundesweit an Zulauf. Es gründeten sich neue lokale Ableger, welche für ihre jeweiligen Universitäten bessere Arbeitsbedingungen für SHKs forderten, so auch in Marburg. In den Tarifverhandlungen 2023 forderten die Gewerkschaften die Aufnahme der SHKs in den Tarifvertrag der Länder (TV-L). Die Forderung wurde mehrfach ohne Gegenvorschlag von der Arbeitgeberseite abgelehnt. Jedoch einigte man sich in der dritten Verhandlungsrunde auf eine Mindestvertragslaufzeit von zwölf Monaten und einen Mindeststundenlohn von 13,25€. Die Forderungen sollen zum Sommersemester 2024 umgesetzt und der Stundenlohn zum Sommersemester 2025 nochmals auf 13,98€ angehoben werden. 

Hessen verhandelt alleine

Für Marburger SHKs ist relevant, dass Hessen als einziges Bundesland nicht in der Tarifgemeinschaft der Länder vertreten ist. Folglich müssen studentische Hilfskräfte in Hessen separat verhandeln. Bei diesen Verhandlungen erhoffen sich die lokalen Vertretungen der studentischen Initiativen Unterstützung von Seiten der Universitäten. In Marburg nutzten Mitglieder des TV-Studs den vorweihnachtlichen Glühweinausschank des Präsidiums, um ihr Anliegen mitzuteilen. Die Mitglieder von TV-Stud Marburg sind positiv gestimmt, da das Präsidium dem Dialog offen gegenüberstehe und ihre Sorgen und Forderungen ernst nehme. „Für eine Unterschrift und eine öffentliche Solidarisierung mit der TV-Stud Bewegung hat es an dieser Stelle dann leider doch nicht ganz gereicht – aber wir bleiben dran!” berichtet Jessi von der Hilfskraftinitiative.  

„Die Forderungen nach einem Tarifvertrag sind nachvollziehbar”, teilt die Pressestelle des Präsidiums PHILIPPmit. Von Seiten der Universität versuche man, wie oben bereits beschrieben, über den öffentlich zugänglichen Leitfaden und die Unterstützung durch die Beratungsstellen, die Einhaltung der Arbeitsrechte zu sichern. Zusätzlich steige das Gehalt parallel zum TV-H. Bezüglich des Verweises der Gewerkschaften auf eine erhöhte Armutsgefährdung studentischer Hilfskräfte verwies das Präsidium auf staatliche Förderungen: „Die wichtigste Säule für eine verlässliche Finanzierung des Studiums und ein bildungsgerechtes Schul- und Hochschulsystem sind nicht die Hilfskraftstellen, sondern das BAföG.” Die Pressestelle machte des Weiteren auf die Notwendigkeit einer besseren Finanzierung der Hochschulen aufmerksam, um Studierenden und folglich auch SHKs gerecht werden zu können.

Mitglieder und Unterstützer*innen der AStA-Hilfskraftinitiative/TV-Stud Marburg mit Evelyn Korn und Sabine Pankuweit vom Universitätspräsidium. Foto: Simon Buchner.

Forderungen in den Verhandlungen 2024

Die Forderungen der Gewerkschaften für SHKs in den aktuellen Tarifverhandlungen beinhalten mit der Aufnahme in den TV-H einen Anspruch auf 30 Tage Erholungsurlaub, eine klare Beschreibung der Arbeitstätigkeiten und eine Mindestvertragslaufzeit von 36 Monaten. Die Gehaltsforderungen belaufen sich auf 16,50 € im ersten, 17,50 € im zweiten und 18,50 € im dritten Beschäftigungsjahr. Der TV-Stud Marburg möchte die Tarifverhandlungen nutzen, um durch Protestaktionen Druck auszuüben und auf die  Anliegen aufmerksam zu machen. Darüber hinaus bieten sie Beratungsgespräche für Marburger SHKs an. Für den Schutz der Arbeitsbedingungen stehen sie weiterhin im Gespräch mit dem Präsidium der Universität. Inwiefern die Universität ihre Maßnahmen zum Schutz der Arbeitsrechte studentischer Beschäftigter weiter ausbaut, wird sich zeigen. Das Land Hessen steht nun vor der Frage, welche Priorität es universitärem Arbeiten und seinen studentischen Beschäftigten zuschreibt. 


Weitere Quellen:

Interview mit dem Präsidium

Leitfaden für Hilfskräfte der Philipps-Universität Marburg

Broschüre zu Arbeitsrechten studentischer Hilfskräfte

(Lektoriert von hab und let.)

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