Theater Review #20: 50 Jahre 68 – Die Revue
Dieses Jahr wird die 68er Bewegung 50 Jahre alt und das hessische Landestheater Marburg feiert dieses Jubiläum mit einer Revue. Mit der musikalischen Untermalung eines 68 Personen starken Chors und einer Live Band zeigt die Revue die Bewegung von ihren Anfängen bis hin zu ihrem Zerfall in mehrere Splittergruppen.
Die BRD in den sechziger Jahren. Ehemalige NS-Funktionäre wollen von allem nichts gewusst haben, hätten aber doch ganz gerne wieder ein Amt in der Regierung. Die Elterngeneration zieht sich ins Private zurück und Sexualität ist sowieso ein Tabuthema. Die Rollenbilder sind klar verteilt: Während die Frau sich um die Familie sorgt, darf der Mann Karriere machen. Die Welt scheint so weit in Ordnung zu sein. Der Chor singt fröhlich säuselnd in weißer Einheitskleidung „Heidschi Bumbeidschi“. Doch in stillen Kämmerchen der Universitäten formiert sich Unmut gegen die Zustände, der bald das ganze Land auf den Kopf stellen soll.
„Sowas hätte es unter Adi nicht gegeben“
Ein angehender Student diskutiert mit seinem Vater. Er ist unzufrieden über die Umstände und beschließt, sein Studium in Marburg zu absolvieren. Dort formieren sich bereits mehrere wütende Student:innen. Sie schauen gespannt auf die Entwicklung der Jugend- und Protestbewegungen in den USA und beschließen sich zu solidarisieren. Die Szenen, die die Dialoge zwischen den Student:innen zeigen, werden von originalen Bildern und Videos untermalt. Mal zeigen sie friedliche Demonstrationen aber auch Bilder von Polizeigewalt und den ungebrochenen Willen der Demonstrant:innen.
Die einschlägige Gegenposition der Leitmedien wird durch das Einspielen von zeitgenössischen Berichten aus der Tagesschau oder das Vorlesen der damaligen Überschriften aus Tageszeitungen deutlich. Nun heißt es plötzlich, die Jungen gegen die Alten. So überrascht es nicht, dass ein Mann im mittleren Alter in einer Fernsehumfrage auf die Frage, was er von der neuen studentische Bewegung hält ganz ernst mit „Sowas hätte es unter Adi nicht gegeben“ antwortet. Eine Äußerung, die deutlich macht, warum es eine Bewegung brauchte.
Was ist geblieben?
Dieses Gegenhalten der Obrigkeiten scheint die Student:innen nur noch selbstsicherer zu machen. Das wird auch im Gesang des Chores deutlich. Erstarkt die Bewegung, singt der Chor selbstbewusst amerikanische Rocksongs und die Darsteller:innen steigen mit ein. Die vorher apathisch schunkelnde Masse scheint nun erwacht und lebendig zu sein. Das Publikum fühlte sich von der Euphorie mitgerissen, es wird deutlich, dass sich unter den Zuschauer:innen viele befinden, die die Bewegung selber miterlebt haben. Sie erleben diese Revue ganz anders und scheinen sich in diese spannende Zeit zurückversetzt zu fühlen. Eine Zeit in der ein AStA noch etwas bewirkt hat und an der Besetzung der PhilFak noch 600 Student:innen teilnahmen. Ich beginne zu verstehen, warum man unserer Generation Politikverdrossenheit vorwirft, wenn der Darsteller eine damalige Schlagzeile der Oberhessischen Presse vorliest: „Über 1000 Studenten solidarisieren sich mit den Demonstranten in Berlin“.
Im zweiten Teil der Revue zeigt sich, was nach der Bewegung und er Auflösung des SDS geschah. Der Chor befreite sich von seinem weißen Einheitszwirn und tritt nun in bunten Farben auf. Ein Zeichen für die Veränderungen, die die Bewegung erreicht hat und ihre Splittergruppen noch erreichen werden. Die Revue zeigt einen umfassenden Querschnitt der damaligen Zeit und stellt die Zusammenhänge gut verständlich dar. Nur wirkten manche Stellen zu nostalgisch und besonders auf Zeitgenossen zugeschnitten. Besonders die langen Diskussionen um Definitionen oder Karl Marx machten es manchmal schwer, dem Stück zu folgen. Während andere Szenen, wie die des Attentats auf Rudi Dutschke oder der RAF Rap völlig mitrissen und das Publikum begeisterten.
Wer einen Einblick in die hochpolitische Zeit während und nach der 68er Bewegung bekommen möchte und die gelungene musikalische Untermalung genießen will, sollte die Revue auf keinen Fall verpassen.
nächste Termine:
19.04.2018, 19.30
20.04.2018, 19.30
05.05.2018, 19.30
Regie Matthias Falt
Musikalische Leitung Michael Lohmann
Arrangement und Chorleitung Michael Lohmann
Musiker
Christian Keul, Michael Lohmann, Sven Demandt
Besetzung
Artur Molin, Franziska Knetsch (a.G.), Julian Trostorf, Lisa-Marie Gerl, Stefan Piskorz, Thomas Streibig (a.G.)
FOTO: Jan Bosch
Ressortleitung Campus. Studiert "Kunst, Musik und Medien" und hat deshalb das Triangelspielen perfektioniert. Wenn sie nicht gerade in einen Tagtraum versunken ist, überlegt sie sich, was sie heute Abend essen möchte.