Sneak-Review #162: Tolkien

Sneak-Review #162: Tolkien

„In einem Loch im Boden, da lebte ein Hobbit.“ So beginnt J. R. R. Tolkiens erstes Buch „Der Hobbit“, später folgte dann das Fantasy-Epos „Der Herr der Ringe“. Aber wer war dieser Tolkien eigentlich? Dieser Frage geht Regisseur Dome Karukoski in dem Sneak-Film der Woche nach! Ob dieses Unterfangen geglückt ist, erfahrt ihr hier!

Zutaten für ein klassisches Biopic

„Tolkien“ enthält alle Ingredienzien für die Herstellung eines herkömmlichen Biopics:

  • Eine (nicht ganz so) schwere Kindheit inklusive dem frühen Tod einer geliebten Person.
  • Eine (mittelmäßig) tragische Liebesgeschichte.
  • Erster Weltkrieg und traumatisierende Fronterfahrungen.

Doch zum Glück schmecken nicht alle Biopic-Zutaten bitter:

  • Unser Protagonist knüpft (nach anfänglichen Schwierigkeiten) treue Freundschaften, die über schwere Zeiten hinweghelfen.
  • Es gibt Menschen mit der Gabe, wahres Talent zu erkennen, die unserem Held schließlich doch noch die Türe zum Erfolg öffnen.
  • Natürlich siegt am Ende doch die Liebe.

Alles und (deshalb) Nichts

Der Film langweilt. Weil er Alles sein will und damit Nichts ist. „Tolkien“ spricht große Themen an – den Krieg, die Liebe, die Sprache, und was kann eigentlich Sprache alles bewirken? Diese Themen werden aber nur angerissen und dann links liegen gelassen. Ein bisschen hier, ein bisschen da.

Das ist nicht schlecht, wirklich nicht. Der Film ist weit davon entfernt, dilettantisch zu sein. Stellenweise bekommt der:die Zuschauer:in einen tollen britischen Humor geboten. Die Hauptdarsteller Nicholas Hoult (spielt Tolkien) und Lily Collins (spielt seine Liebe Edith) liefern einige amüsante und geistreiche, aber auch romantische Szenen. Und wenn der verletzte Tolkien an der Kriegsfront meint, im nebligen Hintergrund schwarze Todesritter, Drachen und riesige Titanen auszumachen, ist das beeindruckend umgesetzt!

Aber diese Einzelteile ergeben kein spannendes Ganzes. Der Film dümpelt von netter Szene zur nächsten ganz netten Szene, ohne je wirklich spannend oder interessant zu werden. Schade, denn gelegentlich merkt man, dass das Potenzial da gewesen ist: So zum Beispiel wenn Tolkien sich mit seinem Professor über das Wesen der Sprache und das Erfinden neuer Sprachen unterhält. „Tolkien“ macht den Fehler vieler Biopics, er schafft es nicht, einen Fokus zu finden.

Steve Jobs vs. J. R. R. Tolkien

Danny Boyle hat 2015 mit seinem Biopic „Steve Jobs“ gezeigt, wie ein spannendes Biopic aussehen kann: Indem die typischen Biopic-Haltestationen (Kindheit, Schule, erste unternehmerische Erfahrungen, Erfolge und Fehlschläge, Liebesbeziehungen usw.) konsequent weggelassen werden und man sich stattdessen auf 3 Zeitpunkte in Jobs Leben konzentriert: Jeweils die letzten Stunden vor der großen Bühnenpräsentation des neuesten Produkts. In diesen Situationen sehen wir (mehr, als wir es je aus seiner Kindheit ablesen könnten) wie Jobs tickt, was seine Person ausmacht. Der Halbgott Steve Jobs wird zurück auf den Boden geholt, er ist nicht nur Visionär, sondern auch tyrannischer Chef und knallharter Geschäftsmensch, der äußerst empathielos und fies reagieren kann, wenn jemand seinem Erfolg im Wege steht.

Was haben Steve Jobs und J. R. R. Tolkien nun gemeinsam? Eigentlich nichts. Tolkien bleibt literarischer Halbgott, kritische Betrachtungen gibt’s nicht. J. R. R. steht übrigens für John Ronald Reuel. Das Doppel-R der anderen Fantasy-Größe George R. R. Martin steht hingegen für Raymond Richard und HP Baxxter heißt Hans Peter. Ihr merkt, ich schweife ab.

Kommen wir zum Fazit: „Tolkien“ ist kein Totalausfall. Nette Szenen, schön inszeniert. Aber warum man Tolkiens Leben wirklich verfilmen muss, bleibt unklar. Wahrscheinlich weil seine (wesentlich interessanteren) Werke schon verfilmt wurden. Also lieber nochmal „Herr der Ringe“ gucken, notfalls auch die „Hobbit“-Filme.

„Tolkien“ startet am 20. Juni 2019 in den deutschen Kinos.

FOTO: Fox Searchlight

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