Die SPD und ihre Vorstellungen von guter Bildung in Hessen 

Die SPD und ihre Vorstellungen von guter Bildung in Hessen 

Fotos: Annabell Sent

Am 13. August fand im Ufercafé eine Wahlkampfveranstaltung der SPD statt. Es trafen sich: SPD-Kandidat für die Landtagswahlen und Lehrer Sebastian Sack, SPD-Generalsekretär, ebenfalls Lehrer, Christoph Degen und Marburger Sozial- und Bildungspolitikerin Kirsten Dinnebier. Sie diskutierten, was sich in Hessen in Sachen Bildung ändern muss, um Chancengleichheit möglich zu machen.  PHILIPP war dabei, um herauszufinden, wie es um die hessische Bildung steht, aber auch um konkrete Fragen bezüglich der Bildung an den Unis zu stellen: Wissen Politiker*innen über die Umstände an Unis Bescheid? Zum Beispiel, dass die Regelstudienzeit gar nicht mal so cool und der Leistungsdruck teilweise wirklich extrem groß ist? 

Je nachdem wie interessiert ihr an der SPD seid, kennt ihr Sebastian Sack vielleicht. Er hält des Öfteren „Sprechstunden“ im Ufercafé – sprich: Wähler*innen, solche, die es noch werden wollen und jede*r Politikinteressierte*r können Fragen stellen und den Sebastian einfach mal kennenlernen. So auch am 13. August, da ging es aber konkret um die Bildung in Hessen – und noch konkreter – was die schwarz-grüne Regierung bis dato alles verbockt hat in diesem Bereich. Laut Sebastian Sack und auch Christoph Degen ist das einiges: Fachkräftemangel, fehlende Chancengleichheit und veraltete Schulkonzepte, um nur ein paar Punkte zu nennen.

Semesterferien und Wunschträume

Allerdings kam mir das Studium, das offensichtlich ja auch zur Lehre gehört, zu kurz, also wollte ich von Sebastian Sack wissen, was er denn über die Regelstudienzeit denkt. Denn die löst bei vielen Studis durch Praktika, Nebenjobs und am besten noch ein Ehrenamt (z. B. das PHILIPP Mag 😉) völlige Erschöpfung aus – und all das wird auch auf dem Lebenslauf nach dem Studium erwartet. Während ich meine Frage stellte und die Situation mit der Regelstudienzeit schilderte, herrschte zustimmendes Nicken bei den Politiker*innen und das kam als Antwort: Laut SPD soll die Regelstudienzeit für alle Studiengänge auf zehn Semester angehoben werden (im Bachelor – ich schloss daraus, dass Master dann über sechs Semester möglich sein sollen). Auch die Frist für BAFöG soll aufgehoben werden, um den Zeitdruck abzumildern. Sebastian Sack betonte, dass es wichtig sei, dass (Semester-)Ferien auch wieder wirklich „Ferien“ werden, man Pause machen kann und nicht noch zusätzlichen Stoff aufgedrückt kriegt oder acht Abgaben hat. Außerdem betonte Christoph Degen, dass Praxissemester vergütet werden sollten. 

Ich finde, das klingt alles wirklich gut – allerdings wie ein Wunschtraum… BAFöG zeitlich unbegrenzt beantragbar? Zehn Semester Regelstudienzeit? Das würde ja bedeuten man hätte neben dem Studium… ein Leben?! Man müsste nicht die ganzen Semesterferien an Hausarbeiten sitzen? Man würde Geld für Praktika kriegen? Es ist schon mal positiv, dass er mir in meiner Kritik am derzeitigen Studiensystem zustimmt. Trotzdem bin ich natürlich kritisch, wenn Sachen, die Politiker*innen versprechen, fast schon zu gut klingen. Auch Sebastian Sack selbst räumt ein, dass man nicht erwarten kann, dass 20 Jahre der Versäumnisse in kurzer Zeit behoben werden können. Sollte es also unter anderem eine rote Landesregierung geben, wird das alles dauern – Demokratie funktioniert eben sehr langsam.

Gerne in der Schule?

Aber auch die Lehre an Schulen betrifft uns Studis ja – vor allem diejenigen, die Lehramt studieren. Laut Sack wird in den Schulen viel zu viel auf die Lehrkräfte abgewälzt, es brauche viel mehr „multiprofessionelle Teams“, also Teams zusammengesetzt aus zum Beispiel Lehrer*innen, Sozialpädagog*innen und Schulpsycholog*innen. Menschen aus unterschiedlichen Fachgebieten sollen das Konzept Schule neu und vor allem modern denken. Modern war überhaupt das Wort der Stunde, auch die Ganztagsschule müsse modernisiert werden – ja, sie sollte am besten so modern sein, dass Kinder gerne den ganzen Tag in der Schule verbringen und abends Zeit haben, um, wie Sack selbst vorschlägt, zum Beispiel noch bei der Feuerwehr aktiv zu sein. Und damit sollen auch Vereine mit ins modernisierte und neu gedachte Schul-Boot geholt werden, die dann am multiprofessionellen Team mitwirken. Die Schule als solche soll also von Grund auf revolutioniert, modernisiert und neu gedacht werden – an sich ein ehrenwerter Ansatz, wenn man bedenkt, dass Lehrkräfte Burnout-Raten haben, vor denen sogar CEOs großer Konzerne ihren teuren Hut ziehen. Die Wurzel allen oben genannten Übels: Der Fachkräftemangel. Laut der SPD würde vor allem mit mehr Personal in der Bildung alles besser werden. Mich interessierte aber auch, was die SPD für die Menschen tun wolle, die im jetzigen System arbeiten und klarkommen müssen. Würde es in Zukunft psychische Unterstützung für Lehrkräfte geben? 

Nicht einfach weitermachen

Sebastian Sack erläuterte, dass da eine „Supervision“ nötig sei, da selbst den*die Schulpsycholog*in aufzusuchen oft eine zu hohe Hürde darstelle. Das heißt, es sollten regelmäßige Befragungen und Gespräche fest in den Schulalltag miteingeplant werden – auch für Lehrkräfte. Generell kritisierte Sack, dass er es sehr befremdlich findet, wie „nach“ der Pandemie einfach weitergemacht wurde. Viele Schüler*innen und auch Lehrkräfte seien psychisch stark angeschlagen, wie er selbst an der Schule mitbekomme. Das würde man aber übergehen und „einfach so weitermachen“. Und es stimmt: Depressionen, Angst- und Zwangsstörungen haben durch Corona stark zugenommen. Viele bemerken die psychische Belastung auch erst jetzt, wo sich der Alltag wieder normalisiert hat. Sack findet man muss darüber sprechen, diese Themen müssten aufgearbeitet werden. Vor allem Kinder und Jugendliche, die stark unter der Isolation gelitten haben, müssten viel mehr unterstützt werden. Dabei ist ihm wichtig zu betonen, dass er sämtliche Maßnahmen sinnvoll und nötig gefunden habe – auch wenn man einige Sachen besser hätte machen können. Was genau konkretisierte er nicht. 

Insgesamt war die Kritik am jetzigen Bildungssystem in Hessen durchaus berechtigt und auch die Aussagen zur Änderung der Studienzeit würden, denke ich, viele Studis unterschreiben. Es bleiben aber viele Zweifel, sollte die SPD nach den Landtagswahlen am 8. Oktober wirklich etwas zu sagen haben in Hessen, ob die Forderungen wirklich so durchgesetzt werden. Ein Pluspunkt ist bestimmt, dass Sack selbst auch Lehrer ist und zumindest weiß, wovon er spricht. Manchmal war er für meinen Geschmack ein bisschen zu kumpelhaft und die Schule als „Zuhause“ zu beschreiben, empfinde ich dann doch ein bisschen drüber, aber gut: Das ist Ansichtssache.

(Lektoriert von let und hab.)

Seit Anfang 2023 dabei

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Ansonsten... Ich mag Dinos, Feminismus und DuLö (Durstlöscher Granatapfel Zitrone)

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