Sneak Review #201: Das Licht, aus dem die Träume sind
Zurück bei unserem Rätsel der Woche, wenn es wieder heißt: Hop oder top? Diese Woche im Angebot: Das Drama „Das Licht, aus dem die Träume sind“ von Pan Nalin. Lasst euch entführen in die Welt der Filme. Wird Samay es schaffen, seinen Träumen zu folgen und das Licht einzufangen? Am 22.03.22 für euch getestet, damit ihr es nicht tun müsst.
Verbotene Liebe
Regisseur und Drehbuchautor Pan Nalin nimmt uns mit auf eine Reise ins ferne Indien: In ein kleines Dorf, umgeben von Reis- und Baumwollfeldern und einer Bahnstrecke, an der für viele im Dorf auch die einzige Art des Lebensunterhalts hängt. Sobald ein Zug einfährt, beginnen die Jungen, an den Waggons auf- und abzulaufen, um heißen Tee, Kaffe oder Waffeln anzupreisen, die ihre Väter zubereitet haben. Einer dieser Jungen ist Samay (Bhavin Rabari). Sein Vater (Dipen Raval) ist Teeverkäufer. Ein für die Kaste der Brahmanen, der die Familie zugehörig ist, unwürdiger Beruf. Wie für die meisten im Dorf ist auch sein Leben von Perspektivlosigkeit geprägt. Dennoch geht Samay zur Schule – in Indien keine Selbstverständlichkeit. Als der Vater die Familie eines Nachmittags mit ins Kino nimmt, um einen religiösen Film über die Göttin Kali anzuschauen, hat Samay ein Schlüsselerlebnis. Er entdeckt seine Liebe zum Film. Es muss jedoch eine verbotene Liebe sein, denn für den gläubigen Vater sind nichtreligiöse Filme unvereinbar mit den religiösen Werten und seinem brahmanischen Stolz.
Doch Samay kann es nicht lassen und beschließt, zunächst nach und später während der Schule heimlich ins Kino zu schleichen. Er lernt den örtlichen Filmvorführer Fazal (Bhavesh Shrimali) kennen, der mit ihm einen Deal eingeht. Vom Vorführraum aus darf der Junge bei den Filmen zusehen. Im Gegenzug bekommt Fazal Samays Mittagessen, das seine Mutter (Richa Meena) jeden Morgen extra zubereitet. Bald darf der unerschrockene Junge nicht mehr nur Filme schauen, sondern auch dabei helfen, sie vorführfertig zu machen. Durch diese Arbeit lernt er die Bedeutung des Lichts und seine Essenz für den Film kennen. Mit seinen Freunden beschließt er, das Licht einzufangen und einen eigenen Film zu erschaffen. Doch wird ihm das gelingen? Und wird er es schaffen, das Dorf mit der einzigen Perspektive, vom Vater in die Kunst des Teeverkaufens eingewiesen zu werden, zu verlassen?
Spannungskurve = 0, kann aber auch egal sein
Falls ihr jetzt nach einem Anzeichen, einem winzigen Fünkchen Spannung sucht, dann muss ich euch vorsichtig enttäuschen. Natürlich verrate ich nicht, ob Samay es schafft, seinen Traum zu verwirklichen oder ob er in die nicht allzu großen Fußstapfen seines Vaters treten wird, aber was ich spoilern kann: Die großen Schockmomente, die eine:n vor Nervenkitzel in die Kinositze pressen, bleiben aus.
Der Metapherfan in mir würde sagen, der Film ist wie ein hübsch gelegener Fluss, keine schnelle, starke Strömung, eher so ein fröhliches Vorsichhinplätschern, familiengeeignet. Und trotz der fehlenden Spannungskurve musste ich kein einziges Mal gähnen oder heimlich auf die Uhr schauen, wie lange ich noch auszuharren habe. Das könnte auch an der schönen Landschaft und den hübschen Bildern (teilweise Tierdoku-Vibes) gelegen haben. Weniger positiv als ich hat die Kinobesucherin hinter mir auf der Treppe gewertet. Ihr waren manche Szenen zu langatmig, besonders das Schule schwänzen „hätte man auch in fünf statt dreißig Minuten packen können.“ Warum der Regisseur das nicht gemacht hat, folgt in zwei Absätzen.
Hommage an den Film
Warum die Szenen im Vorführraum für Nalin so wichtig waren offenbart sich auf der Webseite des Regisseurs, lastfilmshow.net. Er schreibt dort von der Zerstörung seiner Träume durch die Digitalisierung des Filmemachens im Jahr 2009 und wie es ihm das Herz brach, dass es nun keine Zelluloidfilme mehr gibt. Mich haben diese Worte bewegt und einen Einblick gegeben in das Herz eines echten Filmeliebhabers. Mit Samay spiegelt er sein inneres Kind wieder und seine Faszination für unter anderem rote, grüne und blaue Filmrollen. Diese Liebe drückt sich auch in der Filmmusik aus, für die nur Geräusche aus dem Alltag benutzt wurde. Ungeschminkt und ungekünstelt, eine wahre Hommage an den analogen Film zeigt sich hier.
Sehr, sehr Schön, aber kein Meisterwerk
Volle Punktzahl gibt es von mir zumindest, weil ich es wirklich schön gefilmt fand. Die Story war wie gesagt, kein Aufreger. Es gab allerdings auch kaum stupide Dialoge und obgleich ich Kinderschauspieler:innen immer etwas skeptisch gegenüber bin, was ihre Schauspielkünste angeht (ja, ich weiß, es sind Kinder, ich sollte nicht so streng sein), muss ich zugeben, dass die ihre Sache hier echt gut gemacht haben. Zuletzt der Kommentar des Regisseurs, der mich tief bewegt hat und wegen dem ich den Film im Nachhinein sogar noch besser fand, als während des Films.
„Das Licht, aus dem die Träume sind“ kommt voraussichtlich am 12.05.2022 in die deutschen Kinos.
Foto: Pan Nalin/ Chhello Show LLP & Orange Studio/A Monsoon Films Jugaad Motion Pictures Stranger88 Production
Stolze Stuttgarterin, 23 Jahre jung, studiert Nah- und Mitteloststudien. Seit März 2022 dabei und bildet seit Januar 2023 mit Leo die Chefredaktion. Mit dem Körper in Marburg, dem Geist in Palästina und dem Herzen in den Alpen.