Sneak-Review #224: What’s Love Got to Do with It?

Sneak-Review #224: What’s Love Got to Do with It?

Zoe (Lilly James) und Kaz (Shazad Latif) waren schon in ihrer Kindheit beste Freunde und Nachbarn, jetzt sind sie beide um die dreißig und single. Während das für Kaz bedeutet, dass er sich – ganz nach pakistanischer Tradition – von seinen Eltern eine Frau vermitteln lassen will, legt Zoe Wert auf ihre Unabhängigkeit und widmet sich ihrer Karriere: Sie ist Dokumentarfilmmacherin. In ihrem neuesten Projekt verfolgt sie, nachdem sie ihn überredet hat teilzunehmen, Kaz mit der Kamera auf seinem Weg zur arrangierten Hochzeit – von den Anfängen in London, bis hin zu seiner Hochzeit mit Maymouna (Sajal Ali) in Lahore, Pakistan. Die frisch verheiratete Frau wirkt etwas zurückhaltend mit ihrer Zuneigung gegenüber ihrem Ehemann und auch bei Zoe und Kaz kommen ungeklärte Gefühle hoch.

Möchtegern-Anti-Rom-Com

What’s Love Got to Do with It? gibt sich am Anfang als eine Art Anti-Rom-Com aus, die einen neuen Blickwinkel auf Liebesgeschichten ermöglicht. Zum Beispiel werden die Vorteile von arrangierten Ehen diskutiert, was nicht unbedingt ein klassisches Rom-Com-Thema ist. Als Zoe Kaz ungläubig fragt, warum er sich freiwillig für so ein altmodisches Konzept entscheidet, entsteht ein Gespräch zwischen den beiden über die überfordernde Entscheidungsfreiheit in der Dating-Welt der westlichen Kulturen und darüber, dass Liebe nicht etwas ist, das „auf den ersten Blick“ passiert, sondern Zeit braucht, um sich zu entwickeln. Das Genre der romantischen Komödie ist bekannt dafür, dass es häufig Klischees wie „Liebe auf den ersten Blick“ wiederverwendet, gerade deswegen ist es interessant, Filme zu sehen, die sich über diese Grenzen hinauswagen, um etwas Neues zu erzählen. An einigen Stellen schafft dieser Film es, mit unüblichen Perspektiven zu überraschen, zum Beispiel, als gezeigt wird, dass eine Trennung nicht das Ende der Welt bedeutet und wie undramatisch man mit einem „Fehlschlag“ in der Liebe umgehen kann. Eine weitere Stelle, an der der Film eine kleine Genre-Grenze überschreitet, ist im Casting. Weil Rom-Com ein Genre ist, in dem lange nur weiße Schauspieler:innen Hauptrollen spielten, ist Kaz, der Pakistanische Wurzeln hat, eine wichtige Abwechslung. What´s Love Got to Do with It? tastet sich immer wieder an diese Grenzen heran, aber am Ende bleibt die Erzählung doch sehr im Rahmen einer typischen Rom-Com.

Es ist fast ein bisschen ironisch, dass der Titel des Films eine Frage stellt, die nicht beantwortet wird. Denn das passiert öfter in diesem Film: Fragen werden gestellt, und dann nicht mehr thematisiert, zum Beispiel die Frage nach der Sinnhaftigkeit und Richtigkeit arrangierte Ehen. Vielleicht könnte man das normalerweise auf das Genre schieben, schließlich handelt es sich bei What’s Love Got to Do with It? um ein Romantisches Comedy-Drama und diese sind genre-bedingt nicht darauf aus, eine große Moral zu vermitteln. Das müssen sie auch nicht: Zuschauende einer Rom-Com erwarten Emotionen, keine Moralpredigt. Aber wenn sich der Film schon bewusst an Grenzüberschreitungen des Genres herantastet und moralische Fragen, wie die nach der arrangierten Ehe aufwirft, muss er sie auch weiterverfolgen um den Zuschauenden Orientierung zu geben. Ist die arrangierte Ehe ein veraltetes Konzept oder nicht? – Fragen wie diese nicht weiter aufzuarbeiten, führt dazu, dass, obwohl im Plot gar nicht viel passiert, der Film durch die mangelnde Erzählstruktur und Unentschlossenheit in moralischen Fragen sehr chaotisch wirkt.

Plot vergisst seine eigenen Figuren und Fragen

Der Film eröffnet zu viele Nebenhandlungen, führt Figuren und Fragen ein und vergisst diese dann. Was Kaz und Zoe davon abhält ihre Gefühle füreinander zu realisieren, wird in den Beziehungen um sie herum widergespiegelt: Bei Zoe ist es die Angst, verletzt zu werden. Ihre beste Freundin wird von ihrem Mann betrogen und auch ihre Mutter hatte offenbar keine guten Männererfahrungen gemacht, denn von Zoes Vater wird im Film nie gesprochen. Bei Kaz ist es die Angst vor der Reaktion der Familie – seine Schwester wurde aus der Familie verstoßen, als sie sich entschieden hat, einen Nicht-Pakistani zu heiraten. Am Ende werden diese Hindernisse fast disney-artig in weinenden Umarmungen aufgelöst. All die genannten Nebenstränge, die erklären könnten, warum Kaz und Zoe nicht zu ihren Gefühlen stehen, bleiben als großes Fragezeichen im Kinosaal hängen: Warum bleibt Zoes Freundin mit ihrem Mann zusammen, der sie betrügt? Warum akzeptiert Kaz´ Mutter seine Schwester plötzlich wieder, obwohl sie diese eigentlich aus der Familie verbannt hatte? Und warum hat Kaz´ Ehefrau Maymouna nicht früher Kaz gegenüber geäußert, dass sie ihn gar nicht heiraten will?

Schluss besteht lediglich aus Versöhnungsszenen unterlegt mit ein und derselben Musik

Offene Fragen sind, wenn sie bewusst eingesetzt werden, ein interessantes Stilmittel, um die Zuschauenden dazu zu bringen, selbst Schlüsse zu ziehen. In What’s Love Got to Do with It? wirken die offenen Fragen aber nicht bewusst eingesetzt, sondern als wäre jemandem am ersten Drehtag eingefallen, dass die Geschichte der Nebenfiguren auch noch erzählt werden muss. Dass die offenen Fragen wahllos wirken, liegt auch daran, dass die Hauptfiguren sich selbst nicht diese Fragen stellen. Es fehlt dem Film an Charakterisierung. An einer Stelle fällt das auch Zoe auf, die zu Kaz sagt, was er wirklich wolle, sei „verhüllt wie unter einer Burka“. Wahrscheinlich möchte der Film damit darstellen, dass Kaz vielleicht selbst gar nicht so genau weiß, was er will, auch wenn er das nach außen nicht zeigt, aber diese undurchsichtige Unentschlossenheit erschwert es auch den Zuschauenden, Kaz auf seiner emotionalen Realisation zu folgen. Man fragt sich, ob er überhaupt zu irgendeiner Realisation gekommen ist, weil er sich viel von den Menschen, die ihn umgeben, beeinflussen lässt: Zuerst die von seinen Eltern arrangierte Ehe, der er ohne Widersprüche zustimmt, dann die Unterbindung seiner Gefühle für Zoe, da diese von seiner Mutter nicht akzeptiert werden würden und zuletzt kommt es zur Trennung von seiner Frau nur, weil diese ihm gesteht, dass sie ihn nicht lieben kann. Auch seine Versöhnung mit Zoe geht von ihr aus. Kaz bleibt bis zum Ende ein passiver Charakter, nur die Versöhnung der Familie mit der verbannten Tochter, stößt er an, aber die kommt dann eigentlich aus dem nichts ins Rollen, ohne dass man es Kaz besonders anrechnen könnte. Das ist schade, denn so wird nicht ganz klar, was Kaz gelernt hat oder wie er zu arrangierten Ehen steht. In den letzten zwanzig Minuten folgt eine Versöhnungsszene nach der anderen, alle unterlegt mit derselben Musik, was alles über den Film aussagt, und die letzte Frage dieses Artikels beantwortet: Lohnt es sich, diesen Film anzugucken? What´s Love Got to Do with It? war auf dem besten Weg das Rom-Com-Genre ein bisschen aufzurütteln und eine unübliche Perspektive auf oft genutzte Klischees zu werfen. Am Ende traut er sich doch nicht, irgendeinen klaren Standpunkt anzunehmen und bleibt daher ein durchschnittliches Romantisches Drama, geeignet für Dates, bei denen ihr eh nicht auf den Film achtet – für inhaltlich Interessierte ist er nichts.

What’s Love Got to Do with It? erscheint am 23. Februar 2023 in den deutschen Kinos.

(Lektoriert von hab und let.)

ist 2002 in Berlin geboren und studiert Soziologie im Bachelor. Seit Januar 2023 beim Philipp Magazin in der Redaktion aktiv

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