Sneak-Review #252: Saw X

Sneak-Review #252: Saw X

Nach sechs Jahren Pause feiert Jigsaw-Killer John Kramer in Saw X sein Comeback auf der Kinoleinwand. Regisseur Kevin Greutert schafft es zwar nicht, der seit 19 Jahren laufenden Filmreihe eine interessante Facette hinzuzufügen, liefert jedoch einen soliden, unterhaltsamen Eintrag im Saw-Universum ab. Am 10. November wurde der Film in der Sneak des guten Geschmacks gezeigt.

Das Horrorgenre ist seit jeher besonders anfällig für schnelllebige Trends – von endlosen Fortsetzungen (Sequels), über eine Welle an Neuverfilmungen (Remakes) bis hin zum Neustart ganzer Reihen von Grund auf (Reboots). Seit neuestem sind es die sogenannten Legacy-Sequels oder auch Requels (Kofferwort aus Reboot und Sequel), die spätestens seit dem Erfolg von Halloween (2018) Filmstudios dazu bewegen, ihr Portfolio an angestaubten Marken zu durchwühlen und Fortsetzungen zu veröffentlichen, die meist direkt an erfolgreiche erste Teile anschließen und etablierte Nachfolger ignorieren. Nach unzähligen, qualitativ schwankenden Fortsetzungen und unübersichtlich gewachsenen Storylines (siehe Halloween) versuchen Filmstudios, enttäuschte Fans (und deren Geld) zurückzugewinnen. Der Erstling der Reihe darf aber nicht revidiert werden, sondern soll ausdrücklich Grundlage für den Versuch einer neuen Geschichte sein. Das erleichtert auch den Neueinstieg für Interessierte, die keine Lust haben, vorangegangene Teile aufholen zu müssen. Saw X passt genau in dieses Konzept und ist erzählerisch zwischen Saw und Saw 2 angesiedelt. 

Ein wichtiger Hinweis vorweg: Wer bislang mit der Filmreihe Saw, die Anfang der 2000er – neben Hostel – das Horror-Subgenre des sogenannten torture porn in den Mainstream hievte, nichts anfangen konnte, sollte auch um den neuesten Ableger einen großen Bogen machen. Dieser Teil richtet sich klar an Fans und die, die es noch werden wollen.

Böse versus Superböse

John Kramer (Tobin Bell), der als mysteriöser Jigsaw-Killer den Lebenswillen seiner Opfer in zumeist tödlich ausgehenden ‚Spielen‘ testet, leidet unter seinem fortgeschrittenen Hirntumor. Er ist sich sicher, dass es für seinen Fall keine Hoffnung gibt, da erfährt er von einer experimentellen Behandlung in Mexiko, die bei der Bekämpfung von Krebs angeblich Wunder vollbringen soll. Der Kontakt zu Dr. Cecilia Pederson (Synnøve Macody Lund), Leiterin der Einrichtung, ist schnell hergestellt und noch schneller begibt sich John auf den Weg in das Umland von Mexiko-Stadt. Auch wenn alles unter großer Geheimhaltung abläuft und die Einrichtung einen sehr unkonventionellen Eindruck macht, keimt in dem Mann mit der mehr als zynischen Perspektive auf Leben und Tod so etwas wie Optimismus auf.

Nach geglückter Operation und dem Ausblick auf ein verlängertes Leben ist John sogar so weit, mit seinem Killer-Dasein abzuschließen. Bei einem erneuten, unangekündigten Besuch wird er jedoch skeptisch: Die Einrichtung ist menschenleer, die medizinischen Geräte stellen sich als unbrauchbar heraus und unter seinem Kopfverband befindet sich keine Operationsnarbe. John ist einem Betrug in die Falle gegangen. Seine neugewonnene Hoffnung schlägt in einen Wunsch nach Vergeltung um. Die Verantwortlichen sind genauso schnell ausfindig gemacht, wie gekidnappt, denn John Kramer möchte ein Spiel spielen.

Stumpfe Handlung, scharfe Sägen

Obwohl Saw X den zehnten Teil der Reihe darstellt, handelt es sich um eine recht eigenständige Erzählung, die kein wirkliches Vorwissen verlangt. Die Geschichte ist eingleisig und wirft das unter Fans beliebte, mehrschichtige Erzählen im Stile einer Seifenoper über Bord. Zum ersten Mal konzentriert sich ein Teil nur auf die Figur John Kramer und zeigt eine kleine, von der Haupthandlung losgelöste Episode aus seinem Leben. Dabei braucht die eigentliche Geschichte recht lange, um wirklich in Fahrt zu kommen. Saw X verbringt (zu) viel Zeit damit, den Jigsaw-Killer als Sympathieträger der Handlung zu etablieren, um das Publikum auf seine Seite zu ziehen. Dieser Ansatz ist definitiv polarisierend, entfaltet für Horrorfans jedoch seine Wirkung in der zweiten Hälfte des Filmes vollkommen. Nur zu gern beobachtet man, wie eine eindimensionale Figur nach der nächsten das Zeitliche segnet und die Zuschauer*innen somit von nervigen Schauspielleistungen erlöst werden. Auch wenn es Ansätze gibt, den Betrüger*innen so etwas wie eine Persönlichkeit zu verleihen, bleiben sie im Kern einfache Opferlämmer, mit denen man herzlich wenig Empathie empfindet. Dazu kommt, dass Tobin Bell in seiner grummelig-zynischen Paraderolle wie in den bisherigen Teilen zu überzeugen weiß und somit den entsprechend unterhaltsamen Gegenpol bietet. Ein paar Plottwists sind zwar ganz nett, von einem längeren Nachdenken über die Handlung sei aber dringend abgeraten. Das Erlebnis des Films profitiert davon, wenn man die Fähigkeit des logischen Denkens gegen einen großen Eimer Popcorn eintauscht. 

Das Herzstück der Saw-Reihe sind die Konstrukte, mit denen John Kramer seine Opfer ins Jenseits befördert, wenn sie nicht dazu bereit sind, die Regeln seiner Tests einzuhalten oder die Herausforderungen nicht bestehen. Saw X beweist, dass auch nach zahlreichen Vorgängern die Ideen für abwechslungsreiche Fallen noch nicht ausgegangen sind. Ein weiterer positiver Aspekt ist der traditionelle Verzicht auf offensichtliche digitale Effekte. Make-up sowie praktische Effekte sind hervorragend widerlich und authentisch und das schmatzige Sounddesign wird selbst Hartgesottenen ein flaues Gefühl in der Magengegend verleihen, auch wenn der Grad an Ekel nicht in die Nähe des aktuellen Genrekönigs Terrifier 2 kommt.

Der Fanservice innerhalb der Handlung kommt wenig störend daher. Bekannte Nebenfiguren tauchen auf, gewisse Zitate werden reproduziert, die ikonische Puppe Billy darf den Opfern die Spielregeln ‚verlesen‘ und natürlich bekommt auch Charlie Clousers berühmtes Musikthema Hello Zepp seinen gut getimten Einsatz mit klarer Referenz auf den ersten Teil. Sogar auf eine Marvel-eske Szene während des Abspanns darf man sich freuen. Saw X weiß, welche Zielgruppe er ansprechen möchte und bedient sie in mindestens zufriedenstellendem Maße.

77 % der Sneak-Zuschauer*innen werden auch die nächsten zehn Teile gucken und bewerteten den Film positiv, während für 23 % spätestens mit diesem Teil Game Over ist – sie gaben eine negative Bewertung ab.

(Lektoriert von let und hab.)

Seit November 2023 bei PHILIPP am Start. Studiert Literaturvermittlung in den Medien. Ist gut darin, schweigend auf Bildschirme jeglicher Größe zu starren. Hält sich durch übermäßigen Matekonsum bei Bewusstsein.

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