Zum PHILIPP-Jubiläum: Die Lieblingsartikel unserer Redaktion

Zum PHILIPP-Jubiläum: Die Lieblingsartikel unserer Redaktion

Wir haben einige Redaktionsmitglieder gefragt, welcher ihr persönlicher Lieblingsartikel ist. Hier kommen die Antworten:

Laura Schiller
Auf meinen PHILIPP-Lieblingsartikel bin ich beim Stöbern (Stalken) durch ehemalige Autor*innenprofile gestoßen. In „‘Hey Süße, komm doch rüber! Wir besorgen’s  dir!‘“ aus dem Jahr 2017 ordnet Autorin Muriel Kalisch vor dem Hintergrund der #metoo-Bewegung ihre eigenen Erfahrungen mit Übergriffen durch Männer ein. Obwohl sie erzählt, dass sie eine dieser Erfahrungen schonmal auf Twitter geteilt und den Post direkt wieder gelöscht hatte, weil er ihr unangenehm war, schreibt sie in dem Artikel offen, ehrlich und – wie ich finde – mutig über das ihr Widerfahrene. Sie erklärt zudem, warum es so wichtig ist, dass solche Missstände es in den öffentlichen Diskurs geschafft haben. Dabei ist der Artikel klar formuliert und auf den Punkt gebracht – so hätte er, denke ich, auch in einem viel größeren Magazin als unserem erscheinen können. Vor allem der letzte Absatz macht ihn aus: Darin macht Muriel darauf aufmerksam, dass wie wir in der Gesellschaft leben wollen uns alle etwas angeht und wir alle eine Meinung dazu haben sollten. Sie schreibt: „Ich habe kein neues Erlebnis getwittert. Aber ich habe diesen Text geschrieben. Er ist mir nicht unangenehm.“

Joannis Kiritsis
Der Einstieg fällt mir immer am schwersten, das Gewicht aller möglichen Anfänge auszuhalten, um sich schließlich für einen zu entscheiden. In der Filmkritik, wie auch in allen anderen Lebensbereichen, innerhalb und außerhalb von Text, mache ich es mir aus diesem Grund leicht, indem ich von anderen, klügeren Menschen stehle. Eine häufig genutzte Technik solch klügerer Menschen für den Beginn einer Filmkritik ist der sogenannte szenische Einstieg, eine Mischung aus Zusammenfassung der Filmhandlung bei gleichzeitiger, atmosphärischer Nacherzählung eines spezifischen Filmmoments. Unter den falschen Händen ausschweifend und für die Leserschaft ermüdend, habe ich dagegen immer schon die Selbstverständlichkeit bewundert, mit der Niklas seine szenischen Einstiege baut. So auch in seiner Kritik zum deutschen Horrorfilm Home Sweet Home, die mit dem schlichten Satz „Maria ist überglücklich“ ansetzt. Der gewählte Beginn ist nicht zu plötzlich, nicht zu harsch gesetzt und bietet in einem Satz dennoch genug Informationen und angedeutete Lücken, um mich als Leser weiterzuziehen. Die daran anknüpfende Etablierung der Filmhandlung führt dieses Prinzip aus. In locker-souveränen Sätzen wird das Fundament für die folgende Kritik gelegt, unaufdringlich und präzise.

Der Hauptteil des Textes bewegt sich bei gleichbleibender Leichtigkeit zwischen den unterschiedlichen Informationsquellen und Kontexten, die den Film umgeben. Inmitten der unterschiedlichen Dosierungen, die die Textsorte Filmkritik erlaubt – die spezifische Aufeinanderfolge von etwa Informationen zur Produktion, Beschreibung der Inszenierung und Wertung des Films –, schafft es dieser Text, alle Bereiche zu bespielen, ohne die Lesenden zu überfordern. Das gelingt ihm hauptsächlich durch die fein gearbeiteten Übergänge zwischen diesen Bereichen. Mit einer Einordnung des Regisseurs zu beginnen, erlaubt dem Text beispielsweise sowohl über die Kameraarbeit zu reden, als auch Gedanken über die Handlung und das Schauspiel als das einzuweben, was sich vor der Kamera ereignet. Abgerundet werden diese Sätze mit zunächst noch eingestreuten Wertungsadjektiven, die mithilfe von zahlreichen Vergleichen zu anderen Horrorfilmen im Laufe des Textes zunehmend zu deutlichen Urteilen geschärft werden und immer mehr Raum einnehmen. Es entsteht die Überzeugung, es mit einem Genre-Kenner zu tun zu haben, der das spezifische Horror-Temperament von Home Sweet Home nicht nur als für sich stehenden Ableger erfassen, sondern auch in der Gesamtströmung des Horrorfilmes einzuordnen weiß. Das alles in einer gefestigten, selbstsicheren Sprache, die stets auf Augenhöhe ihres Gegenstandes und ihrer Leserschaft bleibt und sich nie in hochtrabendem Expertentum verliert.

Jan Bockelmann
Aus 1000 Artikeln seinen Lieblingsartikel auszuwählen ist ein äußerst schwieriges Unterfangen.  Innerhalb meiner Zeit bei PHILIPP las ich so einige Artikel und fraglos hätten es mehrere davon verdient, hier Berücksichtigung zu finden. Und doch, wenn ich an PHILIPP denke ist da ein Artikel, bei dem es sich einfach richtig, fast schon natürlich anfühlt, ihn zu meinem Lieblingsartikel zu küren. Die Rede ist von der Sneak Review #232, von Joannis‘ Kritik zu Die Drei Musketiere: D’Artagnan und damit auch vom ersten PHILIPP-Artikel, den ich jemals gelesen habe. Ich kann mich noch ziemlich gut daran erinnern, wie ich beim Lesen des Artikels jede Zeile in meinem Kopf einzeln abnickte und wie angetan ich davon war, wie Joannis sowohl Kino versteht, als es auch verstehen lässt.

Filmrezensionen kranken oftmals daran, dass sie viel zu oberflächlich bleiben, weil die Autor*innen dem Irrglauben aufsitzen, dass sie bloß ihre Meinung zu verkünden haben. Doch eine gute Filmkritik macht so viel mehr als das: Sie bietet eine Kurzreise durch den Film an ohne zu spoilern, sie ordnet den gesehenen Film innerhalb seines Mediums ein, sie öffnet gesellschafts-politische Diskussionsfelder und macht all das im besten Falle mit einer humoristischen Note und einem Schreibstil, der einem ästhetischen Anspruch gerecht wird. Joannis gelingt genau dieser Spagat, wenn er ausgehend von Die Drei Musketiere: D’Artagnan die Vereinheitlichung historischer Spielfilme humorig kritisiert („Alle für einen und einer wie alle“), auf die Kapitalgier der Filmbranche aufmerksam macht und die Probleme offenlegt, die damit für den Film selbst einhergehen. Joannis macht dabei wahrlich keine Gefangenen, seine Kritik ist messerscharf formuliert und er trifft den Nagel dabei so oft auf den Kopf, dass er sich vor Schmerzen eigentlich krümmen müsste. Das ist Kunst. Rezensionskunst. Und Joannis beherrscht diese wie kein Zweiter.

schiller

ist 24 Jahre alt und studiert Literaturvermittlung in den Medien, sieht sich selbst aber immernoch als Anglistin. Sie weiß nichts über vieles, aber alles über Jane Austen. Seit November 2024 in der Chefredaktion tätig.

ist seit Mitte Februar 2023 Redaktionsmitglied. Studiert Literaturvermittlung in den Medien. Hat den Film "Babylon" acht Mal im Kino gesehen. 25 Jahre alt. Liebt schiefe Vergleiche.

ist 2001 in Hessen geboren.
Studiert Geschichte im Bachelor und ist bei PHILIPP in der Redaktion tätig.

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