Sneak-Review #156 – Beach Bum

Sneak-Review #156 – Beach Bum

„Eines schönen Tages werde ich die Welt verschlingen. Und wenn ich das tue, geht ihr alle qualvoll zugrunde.“ Das ist nur eines der Gedichte, die der Poet Moondog zum Besten gibt im Sneak-Film dieser Woche – „Beach Bum“ von Regisseur Harmony Korine. Was dieser unkonventionelle, bunte Film taugt, erfahrt ihr hier!

Worum geht’s?

Der Poet Moondog (Matthew McConaughey) genießt sein Leben in vollen Zügen. Er wohnt am Strand von Florida, trinkt und kifft den ganzen Tag. Außerdem hat er viel Sex mit vielen Frauen, fährt schnelle Luxusautos und holt sich gelegentlich einen Preis für seine schriftstellerischen Leistungen ab. Sein letzter großer Erfolg scheint allerdings schon lange zurück zu liegen. Möglich ist dieses schicke Leben durch seine steinreiche Ehefrau Minnie (Isla Fisher). Dass die mit seinem Kumpel Lingerie (Snoop Dogg) schläft, stört ihn nicht. Als Minnie bei einem Autounfall stirbt, verlangt das Testament, dass Moondog erst ein neues Buch veröffentlichen muss, bevor er das Erbe antreten kann. So begibt sich Moondog, auf der Suche nach Inspiration, von einem Abenteuer ins nächste…

Also irgendwie hab‘ ich was anderes erwartet…

Dieser Film eckt bei vielen Zuschauer:innen an. Denn Regisseur Harmony Korine verweigert sich (seit jeher) sämtlicher Konventionen. So auch einer klassischen Erzählstruktur. Ähnlich wie bei Filmen von Jim Jarmusch gibt es keine Handlung im herkömmlichen Sinne. In „Beach Bum“ geht es nicht um das, was passiert. Es gibt keinen Plot, kein Rätsel, das gelöst werden muss, keinen Spannungsbogen, keinen Twist. Die angedeutete Handlung ist nur ein loser Rahmen, innerhalb dessen der Stil über die Substanz triumphiert. Es geht um die Stimmung, die Atmosphäre, die den Film beherrscht. Das ist ungewohnt, und gefällt deshalb vielen nicht: Einige Zuschauer:innen verließen den Saal vorzeitig, leider.

Dabei begibt sich in Sachen Atmosphäre Harmony Korine – im Gegensatz zu seinen vorherigen Filmen („Springbreakers“) – mit „Beach Bum“ in zunehmend freundlichere Gefilde. Hier überwiegen die positiven Vibes. Im Stil einer Kiffer-Komödie erleben die Zuschauer:innen die Welt durch die Hauptfigur Moondog. Und der bezeichnet sich als umgedrehten Paranoiker: Die Welt hat sich verschworen, ihn glücklich zu machen. So stolziert und stolpert er, zwar planlos, aber grinsend und lachend durch die bunte Neonwelt Floridas, von einer Strandbar zur nächsten.

Von koksenden Papageien und blinden Flugzeugpiloten

Dass „Beach Bum“ trotz Handlungsarmut nicht langweilig wird, hat mehrere Gründe. Zum einen die kurze Laufzeit, vor allem aber spielt McConaughey seine Rolle faszinierend. Mehr noch. Er dreht völlig am Rad. Eine so schräge, durchgeknallte Figur hat man schon lange nicht mehr im Kino gesehen. Auch Snoop Dogg, der hier den Inbegriff der Coolness mimt, auf der großen Leinwand zu sehen, ist einfach nur schön. Doch „Beach Bum“ wartet noch mit einerr Reihe weiterer Stars auf. Zac Efron spielt einen kriminellen, christlichen Junkie mit schrägem Outfit und Bartfrisur, die aussieht wie ein Grillrost. Martin Lawrence verkörpert einen Vietnamkriegsveteran, der sich nicht ganz über den Unterschied zwischen Delphinen und Haien klar ist.

Das klingt alles verdammt absurd, und das ist es auch. In diese Riege reihen sich Szenen ein, in denen es um koksende Papageien, blinde, kiffende Flugzeugpiloten und vieles kurioses mehr geht. Musikalisch setzt der Film auf eine breite Auswahl chilliger Songs, die ins Ohr gehen und gut in den Film eingebunden sind. Auf visueller Ebene überwiegen langsame Einstellungen und eine neonfarbene, surreal anmutende Farbgebung.

Subversive Fremdkörper

Weil der Film keinen roten Faden hat, ist er jederzeit unvorhersehbar und überraschend – man weiß nie, mit welchen kranken Ideen der Regisseur seine Zuschauer:innen als nächstes überfällt. Genau diese quälende Ahnungslosigkeit macht sich Harmony Korine zunutze, um die wohlige Atmosphäre in einigen Szenen kippen zu lassen. Szenen, die sich in einem so harmonisch-ulkigen Film anfühlen wie bösartige Fremdkörper. Was ist noch Spaß und was geht nun wirklich zu weit? Was, wenn Übermut und Rausch in Gewalt und Niedertracht ausarten?

In einer Szene stehen Moondog und sein Manager Lewis (Jonah Hill) am Strand und schauen in den Sonnenuntergang. Die Stimmung ist gut. Dann sagt Lewis: „Weißt du, Moondog, was das Schöne daran ist, reich zu sein? Man kann die Leute wie Scheiße behandeln und sie müssen’s einfach hinnehmen.“ Ein Satz wie ein Schlag in die Magengrube, der die Zuschauer:innen mit einem mulmigen Gefühl zurücklässt und alles bisher Gesehene in einem anderen Licht erscheinen lässt.

Clever wirft der Film Fragen auf, aber ohne den:die Zuschauer:in zu bevormunden, das heißt, ohne selbst klare Positionen einzunehmen. Hauptfigur Moondog frönt einem enthemmten Hedonismus. Aber ist das erstrebenswert? Darf man das gut finden? Macht nicht erst unverschämter Reichtum so ein Leben möglich? Stimmt Cartman erstes Gesetz der Physik: „Anything that’s fun costs at least eight dollars“? Ist Moondog wirklich ein gesellschaftlicher Aussteiger oder doch ein Teil im System? Diese Fragen muss jede:r Zuschauer:in für sich selbst beantworten. Die Frage, ob man „Beach Bum“ gesehen haben sollte, lässt sich hingegen ganz einfach mit „JA!“ beantworten.

„Beach Bum“ startet am 28. März in den deutschen Kinos.

Foto: Constantin Film.

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