Sneak-Review #247: Love Again

Sneak-Review #247: Love Again

Wo die Liebe hinfällt und nur schwer wieder aufgehoben werden kann: Mit Love Again serviert der in romantischen Dramen und Komödien geübte Drehbuchautor und Regisseur Jim Strouse ein wohlig überladenes Stück Kitsch nach deutschem Vorbild, das hier als emphatische Einladung verstanden wird.  

Verfasser hier. Ich – denn hier hinter steht trotz allen Versuchen der abstrahierten Beurteilung anhand eines spezifischen Wertmaßstabs ein mal mehr, mal weniger stabiles Ich – möchte, nachdem der letzte in der Sneak-Preview gezeigte Film Mein fabelhaftes Verbrechen bereits einen Bühnenraum für mögliche Diskussionen eröffnet hat, diesen etwas erweitern.  Dadurch trete ich vielleicht in das Fettnäpfchen der amateurhaften Nabelschau, hintergehe professionellere Kritikmuster, aber das ist mir gerade egal. Mich begleiten seit der letzten Sneak generelle Gedanken über Filmkritik, also gehören sie auch zur Auseinandersetzung mit Love Again. Das heißt nicht, dass sie oder dieser Ansatz besonders originell oder tiefgründig sind, sondern nur, dass meine Probleme und Selbstbespiegelungstendenzen im Raum dieses Textes auch zu euren werden. Sorry dafür. Es wäre sehr leicht das, je nachdem, wann dieser Text veröffentlich wird, kürzlich gezeigte oder bereits etwas weiter in der Vergangenheit zurückliegende Angebot der Sneak nach einer inzwischen fast schon systematisch gewordenen Herangehensweise zu beurteilen. Dabei würde jedoch ein äußerst langweiliger, starr, wenn nicht bisweilen verklemmt geschriebener Text entstehen – und davon gibt es, wie inzwischen von allem eigentlich, diesem Text eigenschlossen, mehr als genug –, weil dieser Ansatz einerseits nicht zu jedem Film andererseits aber auch nicht zu jeder Person in ihrem spezifischen Kontext des Filmschauens passt. Zusätzlich können solche antrainierten (pseudo-)professionellen Sprach- und Kritikmuster manchmal auch als Versteck fungieren. Love Again ist eine romantische Komödie und leider funktionieren die Grundbausteine fast jeder Liebeszene, egal wie schlecht die Schauspieler:innen, das Drehbuch, die Inszenierung, die politischen Implikationen sind, bei mir fast immer. Zumindest ein bisschen. 

Orpheus und Eurydike, geschrieben von Céline Dion

Damit wären wir an der für mich immer noch unumgänglichen – ich arbeite noch an einer Lösung, keine Sorge – zusammenfassenden Stelle angekommen: Love Again ist ein amerikanisches Remake des deutschen Karoline-Herfurth-Filmes SMS für Dich aus dem Jahre 2016, der wiederum auf dem gleichnamigen Roman von Sofie Cramer basiert. Der kürzlich am Altar verlassene Musikkritiker Rob (Sam Heughan) wird bei seiner Arbeit an einem Porträt von Celine Dion (den Namen bitte notieren, ist klausurrelevant) von merkwürdigen Nachrichten unterbrochen, die er auf seinem neuen Arbeitshandy erhält. Sie stammen von der Kinderbuchautorin Mira (Priyanka Chopra Jones), die nach dem plötzlichen Tod ihres Freundes zur Trauerbewältigung immer noch Nachrichten an seine alte Nummer schreibt, die nun aber die neue Nummer von Rob ist. Beide Figuren sind also aufgrund vergangener Ereignisse mindestens liebesskeptisch, werden jedoch darin herausgefordert, nachdem Rob eine merkwürdige Anziehung zu Miras Nachrichten entwickelt. Der restliche Handlungsverlauf lässt sich problemlos aus diesen wenigen Informationen erschließen. 

Ich bin mir immer noch nicht sicher, ob ich das gut oder schlecht finde. Love Again ist damit in seiner Handlung konventioneller Kitsch, aber ist sich dessen anscheinend so bewusst, dass ich es ihm nicht verübeln kann, denn das würde immerhin bedeuten: (mögliches) Ziel erreicht. Der Film bietet mir sogar eine mich in den Genuss von sogenannter Hochkultur schaukelnde Lösungsmöglichkeit: Miras verstorbener Freund war ein leidenschaftlicher Fan der Opernadaption des Orpheus-und-Eurydike-Mythos. Der in diesem Zusammenhang wichtigste und bekannteste Moment: Orpheus kann seine verstorbene Geliebte Eurydike nur dann aus dem Hades retten und wiederbeleben, wenn er sich beim Herausführen nicht umdreht. Spoiler: Es gelingt ihm nicht. Love Again referenziert diesen Mythos an mehreren Stellen und könnte dadurch darauf hinweisen, dass auch romantische Komödien in ihrer schieren Häufung und ihren Konventionen mythologische Züge angenommen haben, also Handlungsmomente besitzen, die zur völligen Entfaltung ihrer Wirkung unerlässlich sind. Diese mögliche Wahrnehmung der eigenen Stellung steht Love Again recht gut, auch wenn darüber hinaus leider nichts aus dem referenzierten Material gemacht wird, es also genauso gut nur ein verzweifelter Moment der unnötigen Selbstaufwertung sein könnte. 

Eine weitere mythische Größe des Filmes – wer hat aufgepasst? –: Céline Dion. Die Figur Céline Dion (Céline Dion) nimmt einen überraschend beachtlichen Teil dieses Filmes ein. Neben den zahlreichen Szenen zwischen ihr und Rob, in denen sie als weise Liebesgelehrte fungiert, werden viele ihrer Lieder verwendet. Also möchte Love Again einfach nur darauf aufmerksam machen, dass sich Liebe besser über Lieder von Céline Dion verstehen lassen könnte? Geschenkt. Die Häufigkeit von Dions Liedern wird zwar im Rahmen von Robs journalistischer Recherchearbeit kontextualisiert, wirkt jedoch in der wiederholten Nutzung sehr inflationär. Wenn dann aber noch im Abspann des Filmes Aufnahmen aus einem ihrer Konzerte integriert werden, während ihr Name unter den Produzent:innen aufgeführt wird, droht Love Again zu einem bloßen Dion-Produkt zu werden: Eine Lobeshymne auf die neue Liebesgöttin, die Orpheus und Eurydike rettet. Dem kann Love Again noch gerade so entgegenhalten. Das Figurenverhältnis zwischen Rob und Mira bietet genug Wiedererkennungswert, um beim Akt des Schauens genossen werden zu können, aber nicht genug, um darüber hinaus zu bestehen. Der Film wird jedoch hauptsächlich von der gesellschaftlichen Stellung des Gefühls LIEBE selbst getragen, der Identifikationsfläche, die es bietet. Eine mittelmäßige romantische Komödie, nicht mehr und nicht weniger. Manchmal reicht das. 

Da hat wohl doch jemand hingeschaut: Love Again wurde zu 51% positiv und zu 49% negativ bewertet. 

(Lektoriert von let und hab.)

ist seit Mitte Februar 2023 Redaktionsmitglied. Studiert Literaturvermittlung in den Medien. Hat den Film "Babylon" acht Mal im Kino gesehen. 25 Jahre alt. Liebt schiefe Vergleiche.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Wordpress Social Share Plugin powered by Ultimatelysocial
Instagram
Twitter